Fortunas Tochter
dämliches Brüderchen zu spielen, Tao.«
»Es gibt viel zu tun in San Francisco, du wirst schon sehen, und du brauchst dich auch nicht als Mann zu verkleiden, jetzt sieht man überall Frauen, da fällst du nicht weiter auf.«
»Was ist aus deinen Plänen geworden, nach China zurückzukehren?«
»Aufgeschoben. Ich kann noch nicht fort.«
Sing Song Girls
Im Sommer 1851 beschloß Jacob Freemont, Joaquín Murieta zu interviewen. Banditen und Brände waren die beherrschenden Themen in Kalifornien, sie hielten die Menschen in Schrecken und die Presse in Atem. Das Verbrechen war entfesselt, und jeder wußte von der Korruption bei der Polizei und daß sie in der Mehrheit aus Kriminellen zusammengesetzt war, denen mehr daran lag, ihre Kumpane zu schützen als die Bevölkerung. Nach einem weiteren furchtbaren Brand, der einen großen Teil San Franciscos zerstörte, wurde ein Selbstschutzkomitee gegründet, dem aufgebrachte Bürger angehörten und dem der zwielichtige Sam Brannan vorstand, jener Mormone, der 1848 die Nachricht von dem ersten Goldfund verbreitet hatte. Die Feuerwehrmänner rannten, die Wasserkarren an Stricken hinter sich her ziehend, hügelan und hügelab, aber ehe sie ein Gebäude erreichten, hatte der Wind die Flammen schon zu dem danebenstehenden getrieben. Das Feuer war ausgebrochen, als australische Gangster das Geschäft eines Kaufmanns mit Kerosin getränkt hatten, weil er sich weigerte, ihnen Schutzgelder zu zahlen, und dann eine brennende Fackel hineinwarfen. Angesichts der Gleichgültigkeit der Behörden hatte das Komitee beschlossen, auf eigene Faust vorzugehen. Die Zeitungen jammerten: »Wie viele Verbrechen sind in dieser Stadt in einem Jahr begangen worden! Und wer ist dafür gehängt oder überhaupt bestraft worden? Niemand! Wie viele Männer sind erschossen oder erstochen oder zusammengeschlagen worden, und wen hat man deshalb verurteilt? Wir reden nicht der Lynchjustiz das Wort, aber wer kann wissen, was die empörte Bevölkerung tun wird, um sich zu schützen?« Lynchjustiz, genau das war die Lösung, auf die die Bevölkerung kam. Die Bürgerwehr wuchs von Tag zu Tag, und sie ging mit so rasendem Enthusiasmus zu Werk, daß die Banditen sich zum erstenmal hüteten, am hellichten Tag tätig zu werden. In diesem Klima von Gewalttat und Rache war die Gestalt Joaquín Murietas auf dem besten Wege, zum Symbol zu werden. Jacob Freemont übernahm es, das Feuer seiner Berühmtheit zu schüren; seine sensationslüsternen Artikel hatten für die Hispanos einen Helden und für die Yankees einen Teufel geschaffen. Er gab ihm eine vielköpfige Bande bei und schrieb ihm das Können eines militärischen Genies zu und behauptete, er führe einen Guerrilliakrieg, gegen den die Behörden machtlos seien.
Er greife mit List und Schnelligkeit an, falle über seine Opfer her wie ein Fluch und verschwinde sofort wieder, ohne eine Spur zu hinterlassen, um kurz darauf hundert Meilen entfernt einen neuen Schlag von so ungewöhn– licher Kühnheit zu führen, daß man ihn sich nur mit Zauberei erklären könne. Freemont nahm zwar an, daß die geschilderten Untaten von verschiedenen Männern began– gen worden waren, aber er hütete sich, es auszusprechen, das hätte der Legende geschadet. Dagegen kam ihm der Einfall, ihn den »Robin Hood Kaliforniens« zu nennen, womit er das Ressentiment gegen die greasers weiter schürte. Die Yankees nahmen an, daß die Mexikaner Murieta versteckten und ihm Waffen und Proviant lieferten, weil er die Yankees beraubte, um den Menschen seiner Hautfarbe zu helfen. Im Krieg hatten sie die Gebiete von Texas, Arizona, Neumexiko, Nevada, Utah, halb Colorado und Kalifornien verloren, für sie war jedes Attentat auf die Gringos eine patriotische Tat. Der Gouverneur verwarnte die Zeitung wegen der Unbesonnenheit, einen Verbrecher in einen Helden zu verwandeln, aber der Name hatte die Phantasie der Leute bereits entflammt. Freemont erhielt Dutzende von Briefen, darunter den einer jungen Frau aus Washington, die bereit war, um die halbe Welt zu segeln, um den Banditen zu heiraten, und die Leute hielten ihn auf der Straße an, um ihn nach dem berühmten Joaquín Murieta auszufragen. Ohne ihn, wie er glaubte, je gesehen zu haben, beschrieb er ihn als einen Jüngling von männlichem Gepräge mit den Zügen eines spanischen Edelmannes und dem Mut eines Stierkämpfers. Ganz ohne vorherige Absicht war er mit seinen Artikeln auf eine Goldgrube gestoßen, die einträglicher war als viele entlang
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