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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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verurteilte. »Diese greasers zu erschießen ist nicht das richtige, man muß ihnen einen gerechten Prozeß machen und sie mit der ganzen Majestät des Gesetzes hängen«, befand einer der Geschworenen. Freemont hatte noch nie einen Lynchmord von nahem gesehen und konnte nun in hochtönenden Sätzen beschreiben, wie sie um vier Uhr nachmittags Josefa zu der Brücke zerren wollten, wo das Ritual der Hinrichtung vorbereitet war, wie aber sie ihre Henkersknechte hochmütig abschüttelte und allein zur Richtstätte schritt. Die Schöne stieg ohne Hilfe die Leiter hinauf, band ihre Röcke um die Knöchel fest, legte sich den Strick um den Hals, ordnete ihre Zöpfe und verabschiedete sich mit einem tapferen »Adiós, Señores«, was den Journalisten verblüffte und die andern beschämte.
    »Josefa ist nicht gestorben, weil sie schuldig, sondern weil sie Mexikanerin war. Das ist das erste Mal, daß eine Frau in Kalifornien gelyncht wurde. Welche Vergeudung, wo es so wenige gibt!« endete Freemont seinen erhitzten Artikel.
    Den Spuren Joaquín Murietas folgend, entdeckte er Ortschaften mit Schule, Bibliothek, Kirche und Friedhof, andere wieder konnten nur ein Bordell und ein Gefängnis aufweisen. Saloons gab es in jedem Ort, sie waren der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens. In ihnen ließ Jacob Freemont sich nieder und stellte seine Fragen, und so konstruierte er mit einigen Wahrheiten und einem Berg von Lügen den Lebensweg - oder die Legende - Joaquín Murietas. Die Kneipenwirte beschrieben ihn als einen verdammten Spanier, in Leder und schwarzen Samt gekleidet, mit großen silbernen Sporen, einem Dolch im Gürtel und den feurigsten Rotfuchs reitend, den sie je gesehen hätten. Sie erzählten, er trete sporenklirrend mit seinem Gefolge von Banditen ein, werfe seine Silber– dollars auf die Theke und bestelle eine Runde für alle Anwesenden. Keiner wage den Schnaps zurückzuweisen, selbst die verwegensten Männer tranken schweigend unter dem funkelnden Blick des Schurken. Für die Sheriffs dagegen gab es nichts Prächtiges an seiner Person, das war bloß ein gemeiner Mörder, der zu den schlimmsten Grausamkeiten fähig war und der es nur deshalb immer wieder schaffte, der Gerechtigkeit zu entgehen, weil die greasers ihn schützten.
    Die Chilenen glaubten, er sei einer der Ihren und in einem Ort namens Quillota geboren, zu seinen Freunden sei er loyal und vergesse nie, erwiesene Gefälligkeiten zu vergelten, deshalb sei es gute Politik, ihm zu helfen; aber die Mexikaner schworen, er komme aus dem Staat Sonora, sei ein gebildeter junger Mann aus einer alten Adels– familie und sei der Rache halber Bandit geworden. Die Berufsspieler betrachteten ihn als Experten im Montespiel, aber sie mieden ihn, weil er ein irrsinniges Glück mit den Würfeln hatte und einen locker sitzenden Dolch, der bei der geringsten Herausforderung in seiner Hand erschien. Die weißen Prostituierten starben fast vor Neugier, weil gemunkelt wurde, dieser schöne, großzügige Bursche verfüge über den nimmermüden Schwanz eines Jung– hengstes, aber die Hispanomädchen glaubten das nicht: Joaquín Murieta pflege ihnen unverdient hohe Trinkgelder zu geben, falls er je ihre Dienste in Anspruch nehme, er sei seiner Braut treu, versicherten sie. Sie beschrieben ihn als mittelgroß, schwarzhaarig, Augen strahlend wie Feuer, angebetet von seiner Bande, unbeugsam im Unglück, fürchterlich zu seinen Feinden und freundlich zu den Frauen. Andere behaupteten, er habe das ungehobelte Aussehen eines geborenen Verbrechers und eine schreck– liche Narbe ziehe sich quer über sein Gesicht, von einem gut aussehenden Jungen, Edelmann oder Schönling habe er aber wirklich gar nichts. Jacob Freemont suchte sich die Meinungen heraus, die sich am besten zu dem Bild fügten, das er von dem Banditen hatte, und so spiegelte er ihn in seinen Artikeln wider, wohlweislich immer ein wenig doppelsinnig, damit er einen Rückzieher machen konnte, falls er einmal von Angesicht zu Angesicht auf seinen Champion treffen sollte. Während der vier Sommermonate fuhr er kreuz und quer durchs Land, ohne ihn zu finden, aber aus den verschiedenen Lesarten, die er hörte, stellte er die phantastische Biographie eines Helden zusammen. Weil er nicht zugeben wollte, daß er ergebnislos zurück– gekehrt war, erfand er in seinen Artikeln mitternächtliche Begegnungen in Felsenhöhlen oder auf Waldlichtungen. Schließlich - wer sollte ihm widersprechen? Maskierte Männer hatten ihn

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