Fortunas Tochter
Menschen!«
»Das ist keine Grausamkeit. Das menschliche Leben ist nur einfach nicht viel wert in meinem Land. China hat viele Menschen, und immer werden noch mehr Kinder geboren, mehr, als ernährt werden können.«
»Aber für dich sind diese kleinen Mädchen kein nutzloser Abfall, Tao…«
»Nein. Lin und du, ihr habt mich viel über die Frauen gelehrt.«
»Was wirst du tun?«
»Ich hätte auf dich hören sollen, als du sagtest, ich würde auch besser Gold suchen, erinnerst du dich? Wenn ich reich wäre, würde ich sie kaufen.«
»Aber du bist es nicht. Außerdem würde das ganze Gold Kaliforniens nicht ausreichen, um alle zu kaufen.
Man muß diesen Handel unterbinden.«
»Das ist unmöglich, aber ein paar der Kinder kann ich retten, wenn du mir hilfst…«
Er erzählte ihr, daß es ihm gelungen sei, elf Mädchen herauszuholen, aber nur zwei hätten überlebt. Seine Methode war riskant und wenig wirksam, aber ihm war keine bessere eingefallen. Er bot sich an, die Mädchen umsonst zu behandeln, wenn sie krank oder schwanger waren, im Tausch dafür überließen sie ihm die Sterbenden. Er bestach die Aufpasserinnen, damit sie ihn riefen, wenn wieder ein Sing Song Girl ins »Hospital« gebracht wurde, dann kam er mit seinem Gehilfen, sie packten sie auf eine Tragbahre und nahmen sie mit fort. »Für Experimente«, erklärte Tao Chi’en, aber er wurde nur selten gefragt. Das Mädchen war nichts mehr wert, und die wunderliche Perversion dieses Doktors löste für sie das Problem, es beiseite zu schaffen. Das Übereinkommen nützte beiden Seiten. Bevor Tao Chi’en die Kranke fortbrachte, fertigte er einen Totenschein aus und verlangte dafür den von dem Mädchen unterschriebenen Arbeitsvertrag, um zu verhin– dern, daß irgendwelche Ansprüche erhoben würden. In neun Fällen waren die Todkranken schon jenseits jeder Linderung, und seine Aufgabe war es lediglich gewesen, ihnen in ihren letzten Stunden beizustehen, aber zwei hatten überlebt.
»Was hast du mit ihnen gemacht?« fragte Eliza.
»Ich habe sie in meiner Wohnung. Sie sind noch sehr schwach, und die eine scheint halb verrückt zu sein, aber sie werden sich erholen. Mein Gehilfe ist bei ihnen geblieben, um sie zu pflegen, während ich dich holen ging.«
»Ich verstehe.«
»Ich kann sie nicht ewig hinter Schloß und Riegel halten.«
»Vielleicht könnten wir sie zu ihren Familien in China zurückschicken…«
»Nein! Sie würden nur wieder in Sklaverei geraten. Hier in diesem Land können sie gerettet werden, bloß weiß ich noch nicht, wie.«
»Wenn die Behörden nicht helfen, werden gute Menschen es tun. Wenden wir uns also an die Kirchen und die Missionare.«
»Ich glaube nicht, daß den Christen etwas an diesen chinesischen Mädchen hegt.«
»Wie wenig Vertrauen zum menschlichen Herzen du hast, Tao!«
Eliza ließ ihren Freund mit Joe Bonecrusher Tee trinken, wickelte eines ihrer frisch gebackenen Brote ein und ging den Schmied besuchen. Sie traf James Morton mit nacktem Oberkörper an, eine Lederschürze um den Leib und einen Lappen um den Kopf gebunden, schwitzte er vor der Esse. Die Hitze hier drinnen war unerträglich, es roch nach Rauch und heißem Metall.
Der hölzerne Schuppen stand auf dem nackten Erdboden und hatte eine einfache Flügeltür, die winters wie sommers während der Arbeitsstunden offenstand. Vorne an einem großen Tisch wurden die Kunden bedient, weiter hinten war die Esse. Von den Wänden und den Decken– balken hingen Hämmer und Zangen in vielerlei Formen und Größen sowie von Morton geschmiedete Hufeisen herab. Im hinteren Teil führte eine Leiter zu einer Art Obergeschoß, das als Schlafstelle diente und vor den Augen der Kunden durch einen Vorhang aus gewachstem Tuch geschützt war. Unter dem Schlafgeschoß war die Wohnstube mit einem irdenen Bottich zum Baden und einem Tisch mit zwei Stühlen; der einzige Schmuck bestand aus einer amerikanischen Fahne an der Wand und darunter auf einer Kommode drei Wildblumen in einer Vase. Esther bügelte einen Berg Wäsche, dabei schob sie einen beachtlichen Bauch vor sich her und war in Schweiß gebadet, aber sie sang, während sie das schwere Kohle– bügeleisen handhabte. Die Liebe und die Schwangerschaft hatten sie verschönt, sie strahlte einen tiefen Frieden aus. Sie wusch fremde Wäsche, eine ebenso mühsame Arbeit wie die ihres Mannes mit Hammer und Amboß. Dreimal in der Woche belud sie einen Karren mit schmutziger Wäsche, zog ihn zum Fluß und verbrachte einen
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