Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
guten Teil des Tages damit, auf den Knien mit Seife und Bürste zu reiben und zu schrubben. Wenn die Sonne schien, ließ sie die Wäsche auf den Steinen trocknen, aber oft mußte sie auch das nasse Zeug zurückkarren, und dann kam die Plackerei mit dem Stärken und Bügeln. James Morton hatte es nicht geschafft, sie von dem aufreibenden Unternehmen abzubringen, sie wollte nicht, daß ihr Kind in diesem Schuppen geboren würde, und sparte jeden Cent, um mit ihrer Familie in ein Haus des Dorfes ziehen zu können.
    »Chilenito!« rief sie aus und empfing Eliza mit einer festen Umarmung. »Du hast mich schon so lange nicht mehr besucht!«
    »Wie hübsch du aussiehst, Esther! Aber eigentlich bin ich gekommen, um mit James etwas zu besprechen.«
    Morton legte sein Werkzeug beiseite, trocknete sich den Schweiß mit einem Handtuch ab und führte Eliza in den Hof, wo Esther sich mit drei Gläsern Limonade zu ihnen gesellte. Der Nachmittag war kühl und der Himmel bewölkt, aber noch kündigte der Winter sich nicht an.
    Die Luft roch nach frisch geschnittenem Heu und feuchter Erde.

Joaquín
    Im Winter 1852 aßen die Bewohner Nordkaliforniens Pfirsiche, Aprikosen, Weintrauben, zarten Mais und Melonen, während in New York, Washington, Boston und anderen bedeutenden amerikanischen Städten die Leute sich mit der jahreszeitlich bedingten Knappheit abfanden. Paulinas Schiffe brachten aus Chile die Köstlichkeiten des südamerikanischen Sommers, die in ihren eisigen Betten wohlbehalten ankamen. Dieses Geschäft war sehr viel einträglicher als die Goldgräberei ihres Mannes und ihres Schwagers, auch wenn niemand mehr drei Dollar für einen Pfirsich oder zehn für ein Dutzend Eier bezahlte. Die chilenischen Arbeiter, die von den Brüdern Rodríguez de Santa Cruz auf den Fundstätten eingesetzt wurden, waren von den Gringos dezimiert worden. Sie hatten ihnen den Gewinn aus monatelanger Arbeit geraubt, ihre Vorarbeiter gehängt, die einen ausgepeitscht und den andern die Ohren abgeschnitten und den Rest von den Waschplätzen verjagt. Die Geschichte war in den Zeitungen erschienen, aber sie druckten gar nicht die gräßlichen Einzelheiten, die ein achtjähriger Junge berichtete, Sohn eines der Vorarbeiter, der die Folterung und den Tod seines Vaters hatte mit ansehen müssen.
    Paulinas Schiffe brachten auch eine Theatergesellschaft aus London, ein Opernensemble aus Mailand und eine Zarzuelatruppe aus Madrid, die sich kurz in Valparaíso vorstellten und dann nach Norden weiterreisten. Die Eintrittskarten wurden schon Monate vorher verkauft, und an den Tagen der Vorstellung traf sich die beste Gesellschaft San Franciscos in festlicher Gewandung im Theater, wo die Herrschaften dann Ellbogen an Ellbogen neben grobschlächtigen Goldgräbern in Arbeitskluft sitzen mußten. Die Schiffe kehrten nicht leer zurück: sie brachten nordamerikanisches Mehl nach Chile und Passagiere, die vom Goldfieber geheilt waren und so arm heimkehrten, wie sie fortgezogen waren.
    In San Francisco sah man alles, nur keine alten Leute; die Bevölkerung war jung, kräftig, lärmend und gesund. Das Gold hatte eine Legion von zwanzigjährigen Abenteurern herbeigezogen, aber das Fieber war vorbei, und die Stadt war, wie Paulina vorhergesagt hatte, nicht in ihren vorherigen Zustand als elendes kleines Nest zurückgesunken, im Gegenteil, sie wuchs, und mit ihr das Streben nach etwas kulturellem Gepränge. Paulina war in dieser Atmosphäre ganz in ihrem Element, ihr gefiel die Ungezwungenheit, die Freiheit und die prahlerische Zurschaustellung dieser neugeborenen Gesellschaft, die der duckmäuserischen chilenischen genau entgegengesetzt war. Sie dachte entzückt an den Wutanfall, der ihren Vater packen würde, wenn er sich mit einem korrupten Emporkömmling, der nun Richter geworden war, zu Tisch setzen müßte oder mit einer Französin zweifelhafter Herkunft, die sich wie eine Königin aufgedonnert hatte. Paulina war hinter den dicken Adobemauern und vergitterten Fenstern ihres Elternhauses aufgewachsen, wo der Blick in die Vergangenheit gerichtet war, wo man abhängig war von der Meinung anderer und der Strafe Gottes stets eingedenk; in Kalifornien zählten weder Vergangenheit noch Skrupel, das Ungewöhnliche war willkommen, und Schuld gab es nicht, wenn man die Verfehlung geheimhalten konnte.
    Sie schrieb Briefe an ihre Schwestern - ohne viel Hoffnung, daß sie die väterliche Zensur passierten -, um ihnen von diesem außerordentlichen Land zu erzählen, wo es

Weitere Kostenlose Bücher