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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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möglich war, sich ein neues Leben zu erfinden und im Handumdrehen Millionär oder Bettler zu werden. Es sei das Land der tausend Möglichkeiten, aufgeschlossen und großzügig. Durch das Golden Gate kämen Massen von Menschen herein, die vor Not oder Gewalt geflohen seien und sich entschlossen hätten, die Vergangenheit zu begraben und ganz neu anzufangen.
    Das sei nicht einfach, aber ihre Nachkommen würden Amerikaner sein. Das Wunderbare an diesem Land sei, daß alle glaubten, ihre Kinder würden ein besseres Leben haben. »Die Landwirtschaft ist das wahre Gold Kaliforniens, der Blick verliert sich über den unendlichen Getreidefeldern, alles wächst ungestüm auf diesem gesegneten Boden. San Francisco hat sich in eine prächtige Stadt verwandelt, aber es hat den Charakter eines Grenzpostens nicht verloren, der mich begeistert.
    Es ist immer noch die Wiege von Freidenkern, Visionären, Helden und Schurken. Menschen von den fernsten Ufern gehen hier an Land, auf den Straßen hörst du hundert verschiedene Sprachen, riechst du Speisen von fünf Kontinenten, siehst du alle Rassen«, schrieb sie.
    Dies war nicht mehr ein Heerlager einsamer Männer, Frauen waren gekommen, und mit ihnen hatte die Gesellschaft sich verändert. Diese Frauen waren so unbezähmbar wie die goldsuchenden Abenteurer; um den Kontinent in Ochsenkarren zu durchqueren, bedurfte es einer robusten Lebenskraft, und den besaßen die weiblichen Pioniere. Das waren keine zimperlichen Damen wie ihre Mutter und ihre Schwestern, hier herrschten Amazonen wie sie, Paulina. Tag für Tag bewiesen sie ihre Härte, wetteiferten zäh und unermüdlich mit den Tüchtigsten; niemand bezeichnete sie als schwaches Geschlecht, die Männer respektierten sie als ihresgleichen.
    Sie verrichteten Arbeiten, die ihnen anderswo verwehrt waren: sie suchten Gold, arbeiteten als Cowgirl, lenkten Maultiergespanne, betätigten sich als Kopfgeldjäger, leiteten Spielsalons, Restaurants, Wäschereien und Hotels.
    »Hier können die Frauen Grundbesitz kaufen und verkaufen, auch sich scheiden lassen, wenn sie das wirklich wollen. Feliciano muß sich sehr vorsehen, beim ersten Streich, den er mir spielt, lasse ich ihn sitzen, arm und allein«, witzelte Paulina in ihren Briefen. Und fügte hinzu Kalifornien habe auch vom Schlimmsten das Beste: Ratten, Flöhe, Waffen und Laster.
    »Man geht in den Westen, um der Vergangenheit zu entfliehen und neu anzufangen, aber unsere Obsessionen verfolgen uns wie der Wind«, schrieb Jacob Freemont in der Zeitung, und er selbst war ein gutes Beispiel, denn es hatte ihm wenig genützt, einen anderen Namen anzuneh– men, Reporter zu werden und sich als Yankee zu kleiden, er war doch derselbe geblieben. Der Missionarsschwindel in Valparaíso lag hinter ihm, aber jetzt spann er an einem anderen und fühlte wie früher, daß seine Schöpfung sich seiner bemächtigt hatte und er wieder einmal dabei war, sich hoffnungslos in seinen eigenen Schwächen zu verirren. Seine Artikel über Joaquín Murieta hatten die Presse süchtig gemacht. Täglich tauchten neue Zeugen– aussagen auf, die seine Worte bestätigten; zu Dutzenden kamen die Leute und versicherten, Murieta gesehen zu haben, und beschrieben ihn genau entsprechend der Person, die er erfunden hatte.
    Freemont war sich einfach nicht mehr sicher. Er wünschte, er hätte diese Artikel niemals geschrieben, und bisweilen fühlte er sich versucht, alles öffentlich zu widerrufen, seine Fälschungen einzugestehen und zu ver– schwinden, ehe die ganze Angelegenheit außer Kontrolle geriet und wie ein Sturm über ihn hereinbrach, wie es ihm in Chile passiert war, aber er hatte dann doch nicht den Mut dazu. Der Ruhm war ihm wie ein Rausch zu Kopf gestiegen.
    Die Geschichte, die Jacob Freemont konstruiert hatte, enthielt alle charakteristischen Merkmale eines Schauer– romans. Sie ging so: Joaquín Murieta war ein aufrechter, edel denkender junger Mann gewesen, der, von seiner Braut begleitet, redlich auf den Fundstätten am Stanislaus River arbeitete. Als seine Erfolge sich herumsprachen, wurde er von einigen Nordamerikanern überfallen, sie nahmen ihm das Gold weg, schlugen ihn nieder und vergewaltigten dann seine Braut vor seinen Augen.
    Dem unglücklichen Paar blieb nur die Flucht, und sie zogen nach Norden, weit fort von den Goldwaschplätzen. Sie ließen sich als Farmer nieder und bebauten ein idyllisches Stückchen Erde, das von Wäldern umgeben und von einem klaren Bach durchflossen war, aber auch hier

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