Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
Vom Netzwerk:
dauerte der Frieden nicht lange, denn wieder kamen die Yankees, um ihnen ihr Eigentum zu rauben, und sie mußten eine andere Form suchen, ihr Leben zu fristen.
    Bald danach tauchte Joaquín Murieta als Montespieler in Calaveras auf, während seine Braut im Haus ihrer Eltern in Sonora die Hochzeit vorbereitete. Jedoch es stand geschrieben, daß der junge Mann nirgends Ruhe finden würde. Er wurde angeklagt, ein Pferd gestohlen zu haben, und eine Gruppe Gringos band ihn ohne weiteres Ver– fahren an einen Baum und peitschte ihn mitten auf dem Marktplatz erbarmungslos aus. Die öffentliche Schmach war mehr, als ein stolzer junger Mann ertragen kann, und ihm wollte schier das Herz brechen. Kurz darauf wurde ein Yankee gefunden, der in Stücke gehauen war wie ein Kohlkopf, und als sie die Teile zusammensetzten, erkannten sie einen der Männer, der Murieta mit der Peitsche entehrt hatte. In den folgenden Wochen traf es nacheinander die übrigen Peiniger, und jeder war gefoltert und auf eine neue Art getötet worden. Wie Jacob Freemont in seinen Artikeln sagte: Niemals hatte man soviel Grausamkeit in diesem Land der grausamen Menschen gesehen. In den folgenden zwei Jahren tauchte der Name des Banditen überall auf. Seine Bande raubte Vieh und Pferde, überfiel die Postkutschen, griff die Goldgräber auf den Fundstätten an und die Reisenden auf den Straßen, trotzte der Polizei, mordete jeden unachtsamen Amerikaner, den sie erwischen konnte, und machte sich ungestraft über die Justiz lustig. Murieta wurden sämtliche Gewaltstreiche und Verbrechen in Kalifornien zugeschrieben. Die zerklüftete Landschaft war glänzend geeignet, sich darin zu verstecken, zum Fischen und Jagen bot sich überreichlich Gelegenheit in Wäldern und noch mehr Wäldern, es gab Berge und Schluchten, hochbewachsenes Grasland, wo ein Reiter stundenlang umherstreifen konnte, ohne Spuren zu hinterlassen, tiefe Höhlen, wohinein sie sich flüchten konnten, geheime Bergpfade, die die Verfolger irreführten. Die Trupps von Männern, die auszogen, die Übeltäter zu suchen, kehrten mit leeren Händen zurück oder büßten den Versuch mit dem Tod. All dies erzählte Jacob Freemont, in seine Rhetorik verstrickt, und keinem fiel es ein, Namen, Daten und Orte zu verlangen.
    Eliza lebte schon zwei Jahre in San Francisco und arbeitete mit Tao Chi’en zusammen. Sie war abermals auf die Suche nach Joaquín gegangen, wobei sie sich wieder anderen Reisenden anschloß. Beim erstenmal hatte sie sich vorgenommen, so lange umherzuziehen, bis sie ihn gefunden hatte oder bis der Winter drohte, aber nach vier Monaten kam sie erschöpft und krank zurück. Im Sommer 1852 machte sie sich erneut auf den Weg, aber nachdem sie wie schon beim letzten Mal zuerst Joe Bonecrusher besucht hatte, die sich endgültig in ihre Rolle als Tom No Tribes Großmutter eingelebt hatte, und James und Esther, die ihr zweites Kind erwarteten, kehrte sie nach fünf Wochen zurück, weil sie es nicht aushielt, von Tao Chi’en getrennt zu sein. Sie waren in ihren Gewohnheiten so angenehm aufeinander abgestimmt, so verschwistert in der Arbeit und im Geist einander so nahe wie ein altes Ehepaar. Sie sammelte alles, was über Joaquín Murieta publiziert wurde, und lernte es auswendig, wie sie es in ihrer Kindheit mit Miss Roses Gedichten getan hatte, aber die Berichte über die Braut des Räubers wollte sie lieber nicht glauben. »Dieses Mädchen haben sie erfunden, um ihre Zeitung besser zu verkaufen, du weißt doch, wie scharf die Leser auf romantische Liebesgeschichten sind«, erklärte sie Tao Chi’en. Auf einer zerknitterten Karte verfolgte sie mit einem Stift Murietas Schritte wie ein Seefahrer den Kurs seines Schiffes, aber die Angaben, über die sie verfügte, waren unscharf und widersprüchlich, die Wege überkreuzten sich wie das Gewebe einer toll gewordenen Spinne. Obwohl sie anfangs die Möglichkeit weit von sich gewiesen hatte, ihr Joaquín könnte eben derjenige sein, der die grauenhaften Überfälle verübte, sah sie doch bald ein, daß dessen Person mit der des jungen Mannes übereinstimmte, wie sie ihn in Erinnerung hatte. Auch er hatte sich gegen die Ausbeutung aufgelehnt und war besessen gewesen von dem Willen, den Hilflosen zu helfen. Vielleicht war es ja nicht Joaquín, der seine Opfer zu Tode quälte, sondern seine Trabanten wie jener Drei- Finger-Jack, dem jede Grausamkeit zuzutrauen war.
    Sie trug noch immer Männerkleider, weil dies ihr half, sich unsichtbar zu machen, eine

Weitere Kostenlose Bücher