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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Schlüsseln beschäftigt war, bemerkte nichts, aber Miss Rose sah zufällig aus dem Augenwinkel das gerötete Gesicht des Mädchens. Sie schenkte dem keine Beachtung, der Angestellte ihres Bruders war für sie nur ein Schatten mehr unter den vielen Schatten dieses trüben Tages. Eliza verschwand in der Küche und kam nach wenigen Minuten mit Gläsern und einem Krug Orangensaft zurück, der mit Honig gesüßt war. Sie, die jahrelang ein Buch auf dem Kopf balanciert hatte, ohne sich etwas dabei zu denken, war sich zum ersten Mal in ihrem Leben ihres Ganges bewußt, des Schwungs ihrer Hüften, des genauen Winkels ihrer Arme, des Abstandes zwischen Schultern und Kinn. Sie wollte so schön sein wie Miss Rose damals, als sie, eine strahlende junge Frau, den Findling aus der behelfs– mäßigen Wiege eines Marseiller Seifenkartons gehoben hatte; sie wollte singen mit Nachtigallenstimme wie Miss Applegreen, wenn sie ihre schottischen Balladen vortrug; sie wollte tanzen mit der unglaublichen Leichtigkeit ihrer Tanzlehrerin, und sie wollte auf der Stelle sterben, vernichtet von einem Gefühl so schneidend und unaufhaltbar wie ein Schwert, das ihr den Mund mit heißem Blut füllte und das sie, noch ehe sie es in Worte fassen konnte, mit dem furchtbaren Gewicht der ersten Liebe niederdrückte.
    Eliza stellte das Tablett auf eine Bank und bot die Erfrischung zuerst den Arbeitern an, um Zeit zu gewinnen, bis ihr die Knie nicht mehr zitterten und sie der Starre Herr geworden war, die ihr die Brust lähmte und den Atem raubte, und dann ging sie zu Joaquín Andieta, der von seiner Aufgabe in Anspruch genommen war und kaum den Blick hob, als sie ihm das Glas hinhielt. Dabei trat sie so nahe wie möglich an ihn heran, die Richtung der leichten Brise berechnend, damit sie ihr den Geruch des Mannes brächte, der, so hatte sie beschlossen, der ihre war. Mit halb geschlossenen Augen sog sie seinen Geruch nach feuchter Kleidung, gewöhnlicher Seife und frischem Schweiß ein. Ein Strom glühender Lava durchfuhr sie, ihre Beine drohten nachzugeben, und in einem Augenblick der Panik glaubte sie, sie müsse wirklich sterben. Diese Sekunden waren von solcher Intensität, daß Joaquín Andieta das Heft aus den Händen fiel, als hätte eine fremde Kraft es ihm entrissen, während die Hitze des Feuers auch ihn erreichte und ihn mit dem Widerschein verbrannte. Er blickte Eliza an, ohne sie zu sehen, das Gesicht des Mädchens war ein bleicher Spiegel, in dem er schemenhaft sein eigenes Bild zu erkennen glaubte. Er hatte nur einen vagen Eindruck von ihrer Gestalt und der dunklen Aureole ihres Haars, und erst bei ihrer zweiten Begegnung einige Tage später würde er endlich eintauchen in das Verderben ihrer schwarzen Augen und sich verlieren in der fließenden Anmut ihrer Bewegungen. Beide bückten sich gleichzeitig, um das Heft aufzuheben, ihre Schultern stießen zusammen, und der Inhalt des Glases ergoß sich über ihr Kleid.
    »Paß doch auf, was du tust, Eliza!« rief Miss Rose aus - bestürzt, denn der Blitzschlag dieser plötzlichen Liebe hatte auch sie gestreift.
    »Geh dich umziehen und wasch das Kleid in kaltem Wasser, vielleicht geht der Fleck ja raus«, fügte sie trocken hinzu.
    Aber Eliza, zitternd, von Joaquín Andietas Augen gefangen, rührte sich nicht, stand mit geweiteten Nüstern und sog unverhohlen seinen Geruch ein, bis Miss Rose sie beim Arm packte und mit ins Haus nahm.
    »Ich hab dir ja gesagt, Kind, jeder Mann, und wenn er noch so armselig ist, kann mit dir machen, was er will«, erinnerte die India sie an diesem Abend.
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Mama Fresia«, erwiderte Eliza.
    An jenem Herbstmorgen im Patio ihres Hauses glaubte Eliza in Joaquín Andieta ihrem Schicksal zu begegnen: sie würde für immer seine Sklavin sein. Sie hatte noch nicht lange genug gelebt, um das Geschehene zu begreifen, den inneren Aufruhr, der sie schüttelte, in Worte zu kleiden oder einen Plan zu fassen, aber ihr Spürsinn für das Un– vermeidliche versagte nicht. Unbestimmt, aber schmerz– lich war ihr bewußt, daß sie gefangen war, und ihr Körper reagierte, als hätte eine Seuche sie befallen.
    Eine Woche lang, bis sie ihn wiedersah, wurde sie von Krämpfen geplagt, gegen die weder Mama Fresias Wun– derkräuter noch das in Kirschlikör aufgelöste Arsenpulver des deutschen Apothekers halfen. Sie verlor Gewicht und wurde so leicht wie eine Taube, zum Schrecken von Mama Fresia, die alle Fenster ringsum schloß, damit nicht ein

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