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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Mitgefühl, denn diese Symptome kannte sie gut, und ihrer Erfahrung nach löschten die Zeit und Hindernisse aller Art auch die ärgsten Liebesgluten. Sie war gerade erst siebzehn gewesen, als sie sich unsterblich in einen Wiener Tenor verliebte. Damals lebte sie in England und träumte davon, eine Operndiva zu werden, gegen den hartnäckigen Widerstand ihrer Mutter und ihres Bruders Jeremy, seit dem Tod des Vaters Familienoberhaupt.
    Keiner der beiden betrachtete das Ariensingen als wünschenswerte Beschäftigung für eine junge Dame, zumal es auf Theaterbühnen, am Abend und in tief ausgeschnittenen Kleidern betrieben wurde. Sie konnte auch nicht mit der Unterstützung durch Bruder John rechnen, der sich der Handelsmarine verschrieben hatte und nur ein paarmal im Jahr und dann stets in Eile zu Hause auftauchte. Er kam und stellte den Alltagstrott der kleinen Familie auf den Kopf, strotzend vor guter Laune und von der Sonne anderer Breiten gebräunt, und führte stolz eine neue Narbe oder Tätowierung vor. Er verteilte Geschenke, traktierte sie mit seinen exotischen Geschich– ten und verschwand ganz plötzlich mit Kurs aufs East End und seine Hurenhäuser, wo er blieb, bis er wieder an Bord gehen mußte. Die Sommers gehörten zum kleinen Landadel und hegten keine besonderen Ambitionen. Sie besaßen Land, das seit Generationen im Besitz der Familie war, aber der Vater, der stumpfsinnigen Schafe und kümmerlichen Ernten überdrüssig, zog es vor, in London sein Glück zu versuchen. Er liebte die Bücher so sehr, daß er imstande war, Frau und Kindern das Brot vorzuenthalten und sich zu verschulden, um Erstausgaben von seinen Lieblingsautoren zu erwerben, aber ihm mangelte es an der Habgier der echten Sammler. Nach fruchtlosen Versuchen im Geschäftsleben beschloß er, seiner wahren Berufung nachzugeben, und eröffnete einen Laden mit gebrauchten und anderen, von ihm selbst herausgegebenen Büchern.
    Im rückwärtigen Teil der Buchhandlung richtete er eine kleine Druckerei ein, in der er mit zwei Helfern werkelte, und im Obergeschoß desselben Ladens gedieh im Schild– krötengang sein Geschäft mit seltenen Ausgaben.
    Von seinen drei Kindern nahm nur Rose Anteil an seiner Arbeit, sie war mit der Leidenschaft für die Musik und für die Bücher aufgewachsen, und wenn sie nicht gerade am Klavier saß oder ihre Stimmübungen machte, konnte man sie in einem Winkel beim Lesen finden. Den Vater jammerte, daß sie die einzige war, die die Bücher liebte, und nicht John oder Jeremy, denen er sein Geschäft hätte vererben können. Nach seinem Tod gaben die Söhne die Buchhandlung und die Druckerei auf, John wandte sich der Seefahrt zu, und Jeremy übernahm die Sorge für seine verwitwete Mutter und seine Schwester. Er bezog ein bescheidenes Gehalt als Angestellter der British Trading Company und vom Vater hinterlassene niedrige Pachterträge, hinzu kamen die gelegentlichen Beiträge von Bruder John, die nicht immer in sicherer klingender Münze eintrafen, sondern oft als Schmuggelgut. Jeremy, darob entrüstet, verwahrte diese frevelhaften Kisten ungeöffnet in der Bodenkammer bis zum nächsten Besuch seines Bruders, der es dann selbst übernahm, ihren Inhalt zu verkaufen. Die Familie zog um in eine kleinere Wohnung, die zwar für ihre Verhältnisse zu teuer war, dafür aber günstig im Herzen Londons gelegen, also eine gute Investition - Rose mußte günstig verheiratet werden.
    Mit siebzehn Jahren war das junge Mädchen eine erblühende Schönheit, und es fanden sich übergenug gutsituierte Bewerber, die bereit waren, vor Liebe zu sterben, aber während ihre Freundinnen eifrig bemüht waren, einen Ehemann zu suchen, suchte sie einen Gesangslehrer. So lernte sie Karl Bretzner kennen, einen Wiener Tenor, der nach London gekommen war, um in verschiedenen Mozartopern zu singen. Die Aufführungen erreichten ihren Höhepunkt an einem Gala-Abend mit der Zauberflöte in Anwesenheit der königlichen Familie. Bretzners Äußeres verriet nichts von seiner großen Begabung: er sah aus wie ein Fleischer. Seinem Körper, behäbiger Bauch und schwächliche Knie, ging jede Eleganz ab, und sein vollblütiges Gesicht mit dem Busch blasser Kräusellocken darüber war eher vulgär, aber wenn er den Mund aufmachte, dann verwandelte er sich in ein anderes Wesen, er wuchs zusehends, der Wanst verschwand in der Breite der Brust, das teutonenrote Gesicht strahlte in olympischem Glanz, und seine mächtige Stimme entzückte alle Welt. So wenigstens

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