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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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würde sie darin von ihrer Mittwochsliebe erzählen.
    Dann endlich in einer Nacht trafen sich die jungen Leute nicht in der Kapelle, sondern im Haus der Sommers.
    Bis es dazu kam, war Eliza durch die Folter unzähliger Zweifel gegangen, denn sie begriff, daß dies ein endgültiger Schritt war. Schon allein dadurch, daß sie heimlich ohne Aufsicht zusammen waren, verlor sie die Ehre, den kostbarsten Schatz eines Mädchens, ohne den für sie keine Zukunft mehr möglich war. »Eine Frau ohne Anstand ist nichts wert, sie wird nie eine Ehefrau und Mutter sein können, besser, sie bindet sich gleich einen Stein um den Hals und geht ins Wasser«, hatte man ihr eingehämmert. Sie wußte, es gab keinen Milderungsgrund für den Fehler, den sie begehen würde, was sie tat, tat sie planvoll und mit Vorbedacht. Um zwei Uhr nachts, als in der Stadt alles schlief und nur die Nachtwächter in der Dunkelheit ihre Runden gingen, schlich sich Joaquín Andieta wie ein Dieb über die Terrasse durchs Fenster in die Bibliothek, wo Eliza barfuß und im Nachthemd ihn erwartete, zitternd vor Kälte und Angst. Sie nahm ihn bei der Hand und führte ihn durch das stockfinstere Haus zu einem Hinterzimmer, wo in großen Schränken die Kleidung der Familie aufbewahrt wurde und in verschiedenen Truhen die Materialien für Kleider und Hüte, die Miss Rose im Verlauf der Jahre abgetragen und wieder tragbar gemacht hatte. Auf dem Fußboden lagen, von Leintüchern bedeckt und in Form gehalten, die Vorhänge aus dem Salon und dem Speisezimmer und warteten auf die nächste Saison. Eliza schien es der sicherste Ort zu sein, weit entfernt von den Schlafzimmern. Auf alle Fälle hatte sie vorsorglich Baldrian in das Gläschen Anislikör getan, das Miss Rose vor dem Schlafengehen trank, und in den Brandy, an dem Jeremy sich labte, wenn er nach dem Abendessen seine kubanische Zigarre rauchte. Sie kannte jeden Zentimeter des Hauses, wußte genau, wo der Fußboden knarrte und wie man die Türen öffnete, damit sie nicht quietschten, sie hätte Joaquín mit geschlossenen Augen führen können, und er folgte ihr, gehorsam und bleich vor Furcht, und überhörte die Stimme des Gewissens ebenso wie die seiner Mutter, die ihm unerbittlich den Ehrenkodex eines anständigen Mannes vorhielt. Niemals werde ich Eliza antun, was mein Vater meiner Mutter antat, sagte er sich, während er an der Hand des Mädchens vorwärtstappte, und wußte doch, daß alle Überlegung nutzlos war, denn er war bereits besiegt von dem ungestümen Verlangen, das ihm keine Ruhe ließ, seit er sie das erste Mal gesehen hatte. Eliza schlug sich inzwischen mit den mahnenden Stimmen herum, die ihr im Kopf dröhnten, gegen den Drang des Instinkts mit seinen wunderbaren Tricks. Sie hatte keine klare Vorstellung davon, was in dem Schrank– zimmer geschehen würde, aber ergeben hatte sie sich so und so.
    Das Haus der Sommers, das in der Luft hing wie eine der Gnade des Windes ausgelieferte Spinne, war un– möglich warm zu halten, trotz der Kohlebecken, die die Dienstboten sieben Monate lang im Jahr entzündeten.
    Die Laken waren ständig feucht von dem durch– dringenden Hauch des Meeres, und man schlief mit heißen Wärmflaschen an den Füßen. Der einzige immer warme Raum war die Küche, wo der mit Holz beheizte Herd, ein Monstrum zu vielfältigem Gebrauch, niemals ausging. In den Stürmen des Winters krachte es im Gebälk, Bretter und Dielen lösten sich, und das Skelett des Hauses schien drauf und dran, davonzusegeln wie eine alte Fregatte. Miss Rose gewöhnte sich nie an die Pazifikstürme, ebenso– wenig, wie sie sich an die fast täglichen Erdstöße gewöhnte. Die echten Erdbeben, solche, die die Welt auf den Kopf stellten, ereigneten sich rund alle sechs Jahre, und jedesmal bewies sie eine erstaunliche Kaltblütigkeit, aber das dauernde Gezitter verdarb ihr die Laune. Niemals wollte sie das Porzellan und die Gläser auf Borden zu ebener Erde abstellen, wie es die Chilenen taten, und als der Geschirrschrank im Speisezimmer so schwankte, daß alle Teller herunterkrachten, verfluchte sie das Land aus vollem Halse. Im unteren Stockwerk befand sich der Aufbewahrungsraum, wo auf dem dicken Packen Vor– hänge aus geblümter Cretonne, die im Sommer die schwe– ren grünen Samtvorhänge des Salons ersetzten, Eliza und Joaquín sich liebten. Sie liebten sich umgeben von strengen Schränken, Schachteln mit Hüten und Koffern mit Miss Roses Frühlingskleidern. Weder die Kälte noch der

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