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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Naphthalingeruch ernüchterten sie, denn sie waren weit jenseits aller praktischen Unzulänglichkeiten, weit jenseits der Angst vor den Folgen und weit hinaus über ihre eigene Welpenunbeholfenheit. Sie wußten nicht, wie man es tat, aber sie erfanden es im Tun, betäubt und verwirrt, in tiefem Schweigen führten sie sich gegenseitig ohne große Fertigkeit. Mit seinen einundzwanzig Jahren war er ebenso jungfräulich wie sie. Mit vierzehn hatte er es sich zum Ziel gesetzt, seiner Mutter zu Gefallen Priester zu werden, aber mit sechzehn machte er sich mit aufklärerischer Lektüre vertraut, erklärte sich zum Feind aller Pfaffen, wenn auch nicht der Religion, und beschloß, keusch zu bleiben, bis er seinen Vorsatz ausgeführt hatte, seine Mutter aus der Wohnkaserne herauszuholen.
    Das schien ihm eine geringe Wiedergutmachung für die zahllosen Opfer, die sie um seinetwillen gebracht hatte.
    Trotz der Jungfräulichkeit und der schrecklichen Angst, überrascht zu werden, gelang es den jungen Leuten doch, in der Dunkelheit zu finden, was sie suchten. Sie öffneten Knöpfe, wo Knöpfe waren, lösten Bänder, legten die Scham ab und entdeckten sich nackt, eins den Atem und den Speichel des andern trinkend. Sie sogen wilde Gerüche ein, taten fiebrig dieses hierhin und jenes dorthin in dem ehrlichen Bemühen, die Rätsel zu entziffern, den tiefsten Grund des andern zu erreichen und sich zu zweit im selben Abgrund zu verlieren. Die Sommervorhänge wurden befleckt mit heißem Schweiß, jungfräulichem Blut und männlichem Samen, aber keiner der beiden nahm diese Liebeszeichen wahr. In der Dunkelheit konnten sie kaum den Umriß des andern erkennen oder den Raum, der ihnen blieb, ohne im Aufruhr der Umarmungen die Stapel der Schachteln umzustürzen und die schweren Kleider– schränke zum Wanken zu bringen. Sie segneten den Wind und den Regen, der auf das Dach prasselte, weil er das Knarren des Fußbodens übertönte, aber so laut dröhnte der Galopp ihrer Herzen und ihr verzücktes Keuchen und ihre Liebesseufzer, daß man sich nur verwundern konnte, wieso nicht das ganze Haus davon geweckt wurde.
    Im Morgengrauen verschwand Joaquín durch dasselbe Fenster der Bibliothek, und Eliza ging völlig erschöpft zu Bett. Während sie unter mehreren Zudecken schlief, brauchte er den Hügel hinab in dem Sturm zwei Stunden. Er durchquerte die Stadt, immer auf der Hut, daß die Wachen ihn nicht bemerkten, und kam zu Hause an, als eben die Kirchenglocken zu läuten anhoben und zur ersten Messe riefen. Er hatte vor, ganz leise einzutreten, sich zu waschen, den Hemdkragen zu wechseln und zur Arbeit zu gehen, in dem nassen Anzug, denn er hatte keinen anderen, aber seine Mutter war wach und erwartete ihn mit heißem Wasser für den Mate und geröstetem Brot, wie jeden Morgen.
    »Wo bist du gewesen, Junge?« fragte sie ihn so traurig, daß er sie nicht belügen konnte.
    »Die Liebe entdecken, Mama«, antwortete er und umarmte sie strahlend.
    Joaquín Andieta hatte sich einer politischen Idee verschrieben, die kein Echo fand in diesem Land der praktischen und vernünftigen Leute. Er war ein fanatischer Verfechter der Theorien von Lamennais geworden, den er ebenso wie die Enzyklopädisten in ziemlich dürftigen und konfusen Übersetzungen aus dem Französischen las. Wie sein Lehrer trat er für katholischen Liberalismus in der Politik und für die Trennung von Staat und Kirche ein. Er nannte sich einen Urchristen, wie es die Apostel und die Märtyrer gewesen seien, aber einen Feind der Priester, der Verräter Jesu und seiner wahren Lehre, wie er sagte, und verglich sie mit Blutegeln, die sich von der Leicht– gläubigkeit der Frommen ernährten.
    Er hütete sich jedoch, solcherlei Ideen vor seiner Mutter auszusprechen, die der Kummer darüber getötet hätte.
    Er betrachtete sich auch als Feind der Oligarchie, weil sie wertlos und dekadent sei, und der Regierung, weil sie nicht die Interessen des Volkes vertrete, sondern die der Reichen, wie seine politischen Freunde bei den Zusammenkünften in der Buchhandlung Santos Tornero mit zahllosen Beispielen beweisen konnten und wie er Eliza geduldig erklärte, die ihm kaum zuhörte, weil ihr mehr an seinem Geruch als an seinen Reden lag. Der Junge war bereit, sein Leben aufs Spiel zu setzen für die nutzlose Glorie eines flüchtig aufstrahlenden Heldentums, aber er hatte eine tiefsitzende Angst davor, Eliza in die Augen zu sehen und von seinen Gefühlen zu sprechen.
    Sie machten es zur Gewohnheit, sich

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