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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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der India waren außerdem noch widerwärtig. »Keine Angst, Kindchen, ich werde dir so viel Schnaps einflößen, daß du dich gar nicht mehr an den Schmerz erinnern wirst, wenn du aus deinem Rausch aufwachst. Allerdings werden wir eine Menge Tücher brauchen, um mit dem Blut fertig zu werden«, hatte sie zu ihr gesagt. Eliza hatte den Weg im Dunkeln durch das Haus oft genug gemacht, um ihren Geliebten einzulassen, und brauchte sich nicht besonders vorzusehen, aber in dieser Nacht ging sie sehr langsam, blieb oft stehen, wünschte sich, daß eins jener chilenischen Erdbeben ausbrechen möge, die alles um und um schütteln, damit sie einen guten Grund hätte, Mama Fresia zu versetzen. Ihre Füße waren eiskalt, und ein Schauder lief ihr den Rücken hinunter. Sie wußte nicht, war es die Kälte oder die Angst vor dem, was da auf sie zukam, oder die letzte Mahnung ihres Gewissens. Schon als zum erstenmal der Verdacht sie aufgestört hatte, schwanger zu sein, und seither immer wieder hatte sie die Stimme rufen hören. Sie war sicher, es war die Stimme des Kindes tief in ihrem Leib, das um sein Recht auf Leben flehte. Sie bemühte sich, sie nicht zu hören und nicht nachzudenken, aber sie saß in der Falle, und wenn ihr Zustand erst einmal offenkundig war, würde es weder Hoffnung noch Verzeihung mehr für sie geben.
    Niemand würde ihren Fehltritt verstehen können; es gab keinen Weg, die verlorene Ehre zurückzugewinnen.
    Weder die Gebete noch die Kerzen Mama Fresias würden die Schande verhindern; ihr Geliebter würde nicht auf halbem Wege kehrtmachen und zu ihr zurückkommen, um sie zu heiraten, ehe die Schwangerschaft sichtbar wurde. Dazu war es schon zu spät. Die Vorstellung entsetzte sie, sie könnte enden wie Joaquíns Mutter, von einem schimpflichen Brandmal gezeichnet, ausgestoßen aus der Familie und mit einem unehelichen Sohn in Armut und Einsamkeit lebend; sie würde es nicht ertragen, eine Verstoßene zu sein, lieber würde sie sterben. Und sterben konnte sie noch in dieser Nacht in den Händen der guten Frau, die sie aufgezogen hatte und mehr liebte als sonst jemanden auf dieser Welt.
    Jeremy hatte sich frühzeitig zurückgezogen, aber der Kapitän und Miss Rose saßen noch im Nähstübchen hinter verschlossener Tür und steckten seit Stunden die Köpfe zusammen. Von jeder Reise brachte John Sommers Bücher für seine Schwester mit, und wenn er wieder abreiste, hatte er geheimnisvolle Päckchen dabei, die, wie Eliza vermutete, Miss Roses Geschriebenes enthielten. Sie hatte gesehen, wie Miss Rose sorgfältig ihre Hefte einwickelte, eben die Hefte, die sie in ihren müßigen Abendstunden mit ihrer gedrängten Schönschrift füllte. Aus Respekt oder aus einer seltsamen Scham heraus erwähnte nie jemand die Hefte, ebenso wie keiner über Miss Roses blasse Aquarelle sprach. Das Schreiben und die Malerei wurden als Spleen behandelt, nichts, wessen man sich wirklich schämen müßte, aber auch nichts, womit man großtun sollte. Elizas Kochkünste wurden von den Sommers mit derselben Gleichgültigkeit aufge– nommen, sie genossen ihre Gerichte schweigend und wechselten das Thema, wenn die Gäste sie lobten, dagegen erhielt sie unverdienten Beifall für ihre wackeren Bemühungen auf dem Klavier, obwohl sie kaum ausreichten, im Takt zu bleiben, wenn sie Gesangsstücke begleitete, die ihr neu waren. Ihr Leben lang hatte Eliza Miss Rose schreiben sehen und sie nie gefragt, was sie da schrieb, sie hatte auch nie gehört, daß Jeremy oder John das getan hätten. Sie hätte brennend gern gewußt, warum Onkel John ihr wie ein Verschwörer vorkam, wenn er stillschweigend Miss Roses Hefte mitnahm, aber ohne daß jemand es ihr gesagt hätte, wußte sie, daß dieses eines der grundlegenden Geheimnisse des Hauses Sommers war, und es verletzen könnte bedeuten, das Kartenhaus zum Einsturz zu bringen, in dem sie alle lebten.
    Inzwischen hatte sich auch Miss Rose in ihr Zimmer und ihr Bett begeben, und Onkel John hatte sich ein Pferd genommen und war noch einmal ausgeritten. Eliza stellte sich vor, wie der Kapitän mit seinen liederlichen Freundinnen herumzog, denselben, die ihn auf der Straße grüßten, wenn Miss Rose nicht dabei war. Sie nahm an, sie tanzten und tranken zusammen, und da sie kaum je von Prostituierten hatte reden hören, kam sie gar nicht auf den Gedanken, sie könnten etwas Häßliches treiben. Die Möglichkeit, für Geld oder aus Sport zu tun, was sie mit Joaquín aus Liebe getan hatte, war jenseits ihrer

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