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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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überlegte sie. Frische Lebensmittel, chilenischer Wein, Medikamente, Eier, gute Kleidung, Musik– instrumente und - warum nicht -Theateraufführungen, Operetten, Zarzuelas. San Francisco nahm täglich Hunderte Einwanderer auf. Gegenwärtig waren das Abenteurer und Banditen, aber sicherlich würden von der anderen Seite der Vereinigten Staaten auch Siedler kommen, ehrbare Farmer, Anwälte, Ärzte, Lehrer und alle möglichen anständigen Menschen, die bereit waren, sich mit ihren Familien hier niederzulassen. Wo Frauen sind, ist Zivilisation, und wenn die in San Francisco beginnt, wird mein Dampfer zur Stelle sein mit allem, was nötig ist, beschloß sie.
    Paulina empfing den Kapitän John Sommers und seine Schwester Rose zur Teestunde, als sich die Mittagshitze schon etwas gelegt hatte und eine frische Brise vom Meer wehte. Für die nüchterne Gesellschaft Valparaísos war sie mit äußerstem Luxus gekleidet, von Kopf bis Fuß in butterfarbenen Musselin mit Spitzen, eine kunstvolle Kräuselfrisur über den Ohren und mehr Geschmeide, als um diese Tageszeit vertretbar. Ihr zweijähriger Sohn strampelte auf dem Arm eines Kindermädchens in Schwesterntracht, und ein wolliges Hündchen zu ihren Füßen wurde von ihr mit Kuchenbrocken gefüttert. Die erste halbe Stunde verging mit höflichen Präliminarien, mit Teetrinken und Erinnerungen an Jacob Todd.
    »Was ist aus unserem guten Freund geworden?« wollte Paulina wissen, die niemals das Eingreifen des wunderlichen Engländers in ihre Liebesgeschichte mit Feliciano vergessen würde.
    »Ich habe eine ganze Zeit nichts von ihm gehört«, erklärte der Kapitän. »Vor ein paar Jahren ist er mit mir nach England abgereist. Er war sehr niedergeschlagen, aber die Seeluft tat ihm gut, und als wir in London ankamen, hatte er seine gute Laune wiedergefunden. Als letzte Neuigkeit erfuhr ich, daß er vorhatte, eine utopische Kolonie zu gründen.«
    »Eine was?« riefen Paulina und Miss Rose einstimmig aus.
    »Eine Gruppe, um außerhalb der Gesellschaft zu leben, mit eigenen Gesetzen und mit eigener Regierung, geleitet von den Prinzipien der Gleichheit, der freien Liebe und gemeinnütziger Arbeit, glaube ich. Jedenfalls hat er es mir während der Fahrt tausendmal so erklärt.«
    »Er ist noch verrückter, als wir alle dachten«, stellte Miss Rose fest mit ein wenig Bedauern um ihren treuen Verehrer.
    »Leute mit originellen Ideen geraten letztlich immer in den Ruf, verrückt zu sein«, bemerkte Paulina. »Da brauchen wir gar nicht weit zu gehen. Ich zum Beispiel habe eine Idee, über die ich gern mit Ihnen reden würde, Kapitän Sommers. Sie haben ja die ›Fortuna‹ schon kennengelernt. Wie lange würde sie mit Volldampf von Valparaíso bis zum Golfo de Penas brauchen?«
    »Golfo de Penas? Das ist ja der südlichste Süden!«
    »Sicher. Noch südlicher als Puerto Aisén.«
    »Und was wollen Sie da? Da gibt’s nur Inseln, Wald und Regen, Señora.«
    »Kennen Sie sich in der Gegend aus?«
    »Schon, aber ich dachte, es sollte nach San Francisco gehen…«
    »Probieren Sie diese Blätterteigküchlein, sie sind köstlich«, sagte sie und streichelte ihren Hund.
    Während John und Rose Sommers sich im Salon des Hotel Inglés mit Paulina unterhielten, ging Eliza mit Mama Fresia durch das Vergnügungsviertel El Almendral. Um diese Stunde lud die Tanzschule Schüler und Gäste zum Tanztee ein, und Miss Rose hatte ihr ausnahmsweise gestattet, mit ihrer Kinderfrau als Schutz und Schirm für ein paar Stunden daran teilzunehmen.
    Gewöhnlich begleitete sie das Mädchen selbst, aber der Tanzlehrer bot alkoholische Getränke erst nach Sonnenuntergang an, das hielt in den Nachmittagsstunden allzu draufgängerische Jugendliche fern. Eliza war entschlossen, diese einzige Gelegenheit, bei der sie ohne Miss Rose auf die Straße durfte, zu nutzen, und überredete die India, ihr bei ihren Plänen zu helfen.
    »Gib mir deinen Segen, Mamita. Ich muß nach Kalifornien, Joaquín suchen«, bat sie.
    »Aber wie willst du da hinkommen, allein und schwanger noch dazu!« rief Mama Fresia entsetzt aus.
    »Wenn du mir nicht hilfst, mache ich es trotzdem.«
    »Ich werde alles Miss Rose sagen!«
    »Wenn du das tust, bringe ich mich um. Und danach werde ich jede Nacht deines Lebens kommen und dich bestrafen. Das schwöre ich dir!« erwiderte das Mädchen mit wütender Bestimmtheit.
    Am Tag davor, als sie Onkel John abholten, hatte sie am Hafen eine Gruppe Frauen gesehen, die offenbar verhandelten und sich

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