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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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Vorstellungen. Nach ihrer Berechnung würde ihr Onkel nicht vor dem kommenden Morgen zurück sein, deshalb erschrak sie fürchterlich, als im Erdgeschoß jemand sie im Dunkeln am Arm packte. Sie spürte die Wärme eines großen Körpers neben dem ihren, den Atem nach Alkohol und Tabak in ihrem Gesicht und erkannte sofort ihren Onkel. Sie versuchte sich loszumachen und bastelte hastig an einer Erklärung, was sie um diese Zeit im Nachthemd hier unten zu suchen haben könnte, aber der Kapitän zog sie unnachgiebig in die Bibliothek, die von dem spärlich durchs Fenster einfallenden Mondlicht nur schwach erhellt wurde. Er nötigte sie, sich in Jeremys englischen Ledersessel zu setzen, und suchte nach Wachshölzern, um die Lampe anzuzünden.
    »Also, Eliza, jetzt wirst du mir erzählen, was zum Teufel mit dir los ist!« befahl er in einem Ton, den er ihr gegenüber bisher nie angeschlagen hatte.
    In plötzlich aufblitzender Klarheit erkannte Eliza, daß der Kapitän nicht ihr Verbündeter sein würde, wie sie doch gehofft hatte. Die Duldsamkeit, deren er sich gern rühmte, würde in diesem Fall gewiß nicht bemüht werden: wenn es um den guten Namen der Familie ging, würde seine Loyalität den Geschwistern gehören. Stumm, trotzig hielt das Mädchen seinem Blick stand.
    »Rose sagt, du hast dich in einen Schwachkopf mit kaputten Schuhen verliebt, stimmt das?«
    »Ich habe ihn zweimal gesehen, Onkel John. Und das ist Monate her. Ich weiß nicht einmal, wie er heißt.«
    »Aber du hast ihn nicht vergessen, oder? Die erste Liebe ist wie die Pocken, sie hinterläßt unauslöschliche Narben. Hast du ihn allein getroffen?«
    »Nein.«
    »Ich glaube dir nicht. Denkst du, ich bin blöde? Jeder kann sehen, wie sehr du dich verändert hast, Eliza.«
    »Ich bin krank, Onkel. Ich habe unreifes Obst gegessen, und jetzt habe ich Bauchschmerzen, das ist alles. Ich wollte eben gerade aufs Klosett gehen.«
    »Du hast Augen wie eine läufige Hündin!«
    »Warum beleidigst du mich, Onkel!«
    »Entschuldige, Kind. Siehst du nicht, daß ich dich sehr liebhabe und mir Sorgen mache? Ich kann nicht zulassen, daß du dir dein Leben ruinierst. Rose und ich haben einen großartigen Plan… Würdest du gern nach England gehen? Ich kann alles regeln, daß ihr beide euch in einem Monat einschifft, da habt ihr noch genug Zeit, alles zu kaufen, was ihr für die Reise braucht.«
    »England?«
    »Ihr werdet erster Klasse reisen wie Königinnen, und in London werdet ihr in einer bezaubernden Pension wohnen nur wenige Straßen vom Buckingham Palace entfernt.«
    Eliza begriff, daß die Geschwister bereits über ihr Schicksal entschieden hatten. Das war nun allerdings das letzte, was sie wollte - nach Osten statt nach Norden zu reisen und so zwei Ozeane zwischen sich und Joaquín zu legen.
    »Danke, Onkel. Es würde mich glücklich machen, England kennenzulernen«, sagte sie mit so viel Süßigkeit in der Stimme, wie sie nur aufbringen konnte.
    Der Kapitän zündete seine Pfeife an und schenkte sich einen Brandy nach dem andern ein, während er die beiden folgenden Stunden damit verbrachte, ihr die Vorteile des Lebens in London aufzuzählen, wo eine junge Dame wie sie in der besten Gesellschaft verkehren, Bälle, Theater und Konzerte besuchen, die hübschesten Kleider kaufen und eine gute Ehe eingehen konnte. Sie war doch schon im passenden Alter dafür. Würde sie nicht auch gern nach Paris oder nach Italien fahren? Niemand dürfe sterben, ohne Venedig oder Florenz gesehen zu haben. Er werde es gern auf sich nehmen, ihr bei allen Einfällen entgegen– zukommen, hatte er das nicht immer getan? Die Welt war voll von feschen, interessanten und wohlsituierten Männern, das würde sie selbst feststellen können, wenn sie sich erst einmal aus dieser Gruft, diesem gottvergessenen Hafen gelöst hatte. Valparaíso war kein Ort für ein so hübsches und guterzogenes junges Mädchen wie sie. Es war nicht ihre Schuld, wenn sie sich in den erstbesten verliebt hatte, der ihr über den Weg lief, so eingeschlossen, wie sie lebte… Und was diesen Burschen anging - wie hieß er doch noch, ein Angestellter von Jeremy, nicht wahr? -, den würde sie bald vergessen haben. Die Liebe, versicherte er ihr, stirbt unausweichlich an ihrem eigenen Feuer oder weil die Entfernung ihr die Wurzeln ausreißt. Niemand könne sie besser beraten als er, leider, der er ein Experte in Sachen Entfernung und zu Asche gewordener Liebe sei.
    »Ich weiß nicht, wovon du sprichst, Onkel. Miss Rose

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