Fortunas Tochter
hat sich da eine romantische Geschichte ausgedacht, nur wegen ein bißchen Orangensaft. Da kam ein Bursche, um Frachtstücke abzuliefern, ich bot ihm ein Glas zur Erfrischung an, er trank es aus, und dann ging er. Das ist alles. Es ist nichts passiert, und ich habe ihn nicht wiedergesehen.«
»Wenn es so ist, wie du sagst, hast du Glück: dann brauchst du dir diese Phantasterei erst gar nicht aus dem Kopf zu schlagen.«
John Sommers trank Brandy und redete bis zum Morgengrauen, während Eliza sich im Ledersessel zusammenkauerte, und bevor sie sich dem Schlaf überließ, dachte sie noch, ihre Bitten seien letztlich doch im Himmel erhört worden. Es war kein Erdbeben zur rechten Zeit gewesen, das sie vor Mama Fresias gräßlichem Mittel gerettet hatte, sondern ihr Onkel. In der Hütte im Patio wartete die India die ganze Nacht.
Der Ab s c hied
Am Sonnabendnachmittag lud John Sommers seine Schwester ein, mit ihm das Schiff der Rodríguez de Santa Cruz anzusehen. Wenn mit den Geschäften in diesen Tagen alles gutging, würde er Kapitän darauf werden und sich endlich seinen Traum erfüllen, einen Dampfer zu führen. Später empfing Paulina sie beide im Salon des Hotel Inglés, wo sie abgestiegen war. Sie war aus dem Norden des Landes herabgekommen, um ihren Plan in Gang zu bringen; ihr Mann war schon seit mehreren Monaten in Kalifornien. Sie nutzten den ununterbrochenen Schiffsverkehr hin und zurück, um sich einander mitzuteilen in einem lebhaften Briefwechsel, in dem die Erklärungen ehelicher Zuneigung verflochten waren mit geschäftlichen Plänen. Paulina hatte John Sommers aus reiner Intuition ausgewählt und in ihr Unternehmen eingebaut. Sie erinnerte sich dunkel, daß er der Bruder von Jeremy und Rose Sommers war, zwei Gringos, die ihr Vater einige Male auf seine Hazienda eingeladen hatte, aber ihn hatte sie nur ein einziges Mal gesehen und kaum mehr als ein paar Höflichkeitsfloskeln mit ihm gewechselt. Seine einzige Empfehlung war die gemeinsame Freundschaft mit Jacob Todd gewesen, aber in den letzten Wochen hatte sie sich seinetwegen umgehört und war sehr zufrieden mit dem, was sie erfahren hatte. Der Kapitän genoß einen soliden Ruf unter den Seeleuten wie in Geschäftskreisen. Sie konnte auf seine Erfahrung und auf sein Wort vertrauen, und das ging weit über das Übliche hinaus in diesen Tagen des kollektiven Wahnsinns, in denen jeder ein Schiff mieten, einen Trupp Abenteurer zusammenstellen und lossegeln konnte. Im allgemeinen waren das ahnungslose Tröpfe, und die Schiffe fielen schon halb auseinander, aber das war nicht weiter wichtig, denn sowie sie in Kalifornien ankamen, zerbrachen diese Zweckbündnisse auf Zeit, die Schiffe wurden aufgegeben, und alle rannten davon zu den Goldlagerstätten. Paulinas Vision jedoch umfaßte größere Zeiträume. Zum ersten war sie nicht gezwungen, Forderungen von Fremden zu beachten, denn ihre einzigen Partner waren ihr Mann und ihr Schwager, zudem gehörte ihr der größte Teil des Kapitals, weshalb sie ihre Entschlüsse völlig frei fassen konnte. Ihr Dampfschiff, das sie »Fortuna« getauft hatte, war zwar eher klein und dampfte schon ein paar Jährchen übers Meer, befand sich aber in tadellosem Zustand. Sie war bereit, die Mannschaft gut zu bezahlen, damit sie wegen des glitzernden Goldes nicht desertierte, aber sie vermutete, daß ohne die eiserne Hand eines guten Kapitäns keine Heuer der Welt imstande sein würde, die Disziplin an Bord aufrechtzuerhalten. Der Plan ihres Mannes und ihres Schwagers bestand darin, Bergbau– werkzeuge, Holz für Unterkünfte, Arbeitskleidung, Haus– haltsgeräte, Dörrfleisch, Getreide, Bohnen und andere nicht verderbliche Lebensmittel nach Kalifornien zu exportieren, aber kaum hatte sie in Valparaíso den Fuß auf den Boden gesetzt, begriff sie, daß vielen der gleiche Gedanke gekommen war und die Konkurrenz scharf sein würde. Sie blickte sich um und sah das unbändige Überquellen von Gemüsen und Früchten allüberall, das dieser großzügige Sommer beschert hatte. Es gab so viel von allem, daß es nicht verkauft werden konnte. Das Grünzeug wucherte in den Patios, und die Bäume drohten unter der Last der Früchte zu brechen; nur wenige Leute waren bereit, für etwas zu bezahlen, das sie umsonst bekommen konnten. Sie dachte an das Gut ihres Vaters, wo die Feldfrüchte im Boden verfaulten, weil keinem daran gelegen war, sie zu ernten. Man könnte sie nach Kalifornien schaffen, sie wären wertvoller als selbst das Gold,
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