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Fortunas Tochter

Fortunas Tochter

Titel: Fortunas Tochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Allende
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bestrebt, ihnen nicht ins Gehege zu kommen. Diese Männer zeigten ihm offen ihre Verachtung, ihm und zwei schwarzen Passagieren, die in Brasilien an Bord gekommen waren, ihre Reise vollständig bezahlt hatten, aber die einzigen waren, die über keine eigene Koje verfügten und den gemeinsamen Tisch nicht mit den anderen teilen durften. Er zog die fünf bescheidenen Chileninnen vor mit ihrem soliden praktischen Verstand, ihrer kaum zu trübenden guten Laune und ihrer Mütterlichkeit, die in Notlagen zutage trat.
    Er brachte sein Tagewerk wie ein Schlafwandler hinter sich, seine Gedanken waren bei Eliza, aber er konnte sich bis zum Abend nicht einen Augenblick freimachen, um nach ihr zu sehen. Am Vormittag hatten die Matrosen einen riesigen Hai gefangen, der im Todeskampf mit wütenden Schwanzschlägen das Deck peitschte, und keiner wagte sich an ihn heran, um ihm mit einem Knüppel den Garaus zu machen. Als er nicht mehr zuckte, hatte Tao Chi’en in seiner Eigenschaft als Koch die Plackerei des Abhäutens zu überwachen, das Tier in Stücke zu schneiden, einen Teil des Fleisches zu kochen und den Rest einzusalzen, während die Matrosen mit Schrubbern das Blut vom Deck scheuerten und die Passagiere das scheußliche Schauspiel mit den letzten Flaschen Sekt feierten und so den abendlichen Fest– schmaus vorwegnahmen. Er hob das Herz für Elizas Suppe auf und behielt die Flossen für sich, um sie zu trocknen, denn auf dem Markt der Aphrodisiaka waren sie ein Vermögen wert. Während all der Stunden, in denen Tao Chi’en mit dem Hai beschäftigt war, stellte er sich immer wieder vor, wie Eliza tot im Kielraum des Schiffes lag. Er war überglücklich, als er endlich zu ihr hinunter konnte und festsstellte, daß sie noch lebte und daß es ihr anscheinend sogar besserging. Die Blutung hatte nachgelassen und verlief normal, der Wasserbecher war leer, und alles deutete darauf hin, daß sie an diesem langen Tag lichte Augenblicke gehabt hatte. Kurz dankte er Lin für ihre Hilfe. Das junge Mädchen öffnete mühsam die Augen, ihre Lippen waren trocken und das Gesicht vom Fieber gerötet. Er half ihr, sich aufzusetzen, und flößte ihr einen starken Aufguß von tangkuei ein, um die Blutbildung anzuregen. Als er sicher war, daß sie den Tee im Magen behielt, gab er ihr ein paar Schlucke frische Milch, die sie gierig trank. Neu belebt zeigte sie an, daß sie Hunger hatte, und bat um mehr Milch. Die Kühe, die sie an Bord hatten, produzierten nur wenig Milch, des Lebens auf schlingerndem Schiff ungewohnt, und waren knochendürr, so daß schon davon gesprochen wurde, sie zu schlachten. Tao Chi’en war die Vorstellung, Milch zu trinken, widerwärtig, aber sein Freund Ebanizer Hobbs hatte ihn auf ihre Eigenschaft aufmerksam gemacht, verlorenes Blut zu ersetzen.
    Wenn Hobbs sie bei schweren Wunden als Kur anwendete, mußte sie in diesem Fall die gleiche Wirkung haben, entschied er.
    »Muß ich sterben, Tao?«
    »Noch nicht«, sagte er lächelnd und strich ihr über den Kopf.
    »Wie weit ist es noch bis Kalifornien?«
    »Noch weit. Denk nicht daran. Jetzt mußt du Wasser lassen.«
    »Nein, bitte nicht!« sagte sie abwehrend.
    »Was heißt nicht? Du mußt es tun!«
    »Vor dir?«
    »Ich bin ein zhong yi. Du brauchst dich vor mir nicht zu schämen. Ich habe schon alles gesehen, was es an deinem Körper zu sehen gibt.«
    »Ich kann mich kaum bewegen, ich werde die Reise nicht durchstehen können, Tao, ich möchte sterben«, schluchzte sie, während sie sich auf ihn stützte, um sich auf den Nachttopf zu setzen.
    »Mut, Kind! Lin sagt, du hast viel Qi und bist nicht so weit gekommen, um auf halbem Wege zu sterben.«
    »Wer?«
    »Nicht wichtig.«
    In dieser Nacht begriff Tao Chi’en, daß er sie nicht alleine pflegen konnte, er brauchte Hilfe. Am Tag darauf, als die Frauen gerade aus ihrer Kabine herausgekommen waren und sich am Heck häuslich einrichteten, um wie immer ihre Wäsche zu waschen, sich das Haar zu flechten und die Federn und Glasperlen auf ihre Berufskleidung zu nähen, machte er Azucena Placeres Zeichen, daß er sie sprechen wolle. Während der Fahrt hatte keine von ihnen ihre Kampfgewandung angezogen, sie trugen dicke dunkle Röcke, schmucklose Blusen und Hausschuhe, nachmittags hüllten sie sich in ihre Umhänge, ihr Haar flochten sie in zwei Zöpfe, die ihnen über die Schultern hingen, und verzichteten auf Schminke. So sahen sie aus wie eine Gruppe einfacher Bäuerinnen, die ganz in ihrer Hausarbeit aufgingen. Azucena

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