Fortunas Tochter
Mädchen gewesen, dem er keine persönliche Anteilnahme entgegenzubringen glaubte, eine fan gui mit großen Füßen und kriegerischem Temperament, der es sehr schwerfallen würde, einen Ehemann zu bekommen, denn sie zeigte keinerlei Neigung, einem Mann gefallen oder dienen zu wollen, das konnte man sehen. Nun, nach einem Abort, würde sie niemals heiraten können. Nicht einmal ihr Liebhaber, der sie ja ohnedies schon einmal verlassen hatte, würde sie zur Frau haben wollen, gesetzt den unwahrscheinlichen Fall, sie würde ihn eines Tages finden. Er gestand ihr zu, daß Eliza für eine Ausländerin gar nicht so häßlich war, wenigstens hatten ihre länglichen Augen einen leichten orientalischen Anflug, und ihr Haar war lang, schwarz und schimmernd wie der stolze Schweif eines kaiserlichen Pferdes. Wenn sie eine teuflische gelbe oder rote Mähne gehabt hätte wie so viele, die er seit seiner Verschleppung aus China gesehen hatte, wäre er vielleicht gar nicht auf ihre Bitte eingegangen; nur leider würden weder ihr gutes Aussehen noch ihr starker Charakter ihr helfen, die Würfel über ihr Schicksal waren gefallen, und es gab für sie keine Hoffnung: sie würde in Kalifornien als Prostituierte enden. Er hatte in Kanton und in Hongkong viele dieser Frauen gesehen, ein Großteil seiner medizinischen Kenntnisse verdankte er den Jahren, in denen er die von Prügeln, Krankheiten und Drogen mißhandelten Körper jener Unglücklichen behandelt hatte. Mehrmals in dieser langen Nacht dachte er, ob es nicht großherziger wäre, sie entgegen Lins Gebot sterben zu lassen und so vor einem schrecklichen Schicksal zu bewahren, aber sie hatte ihn im voraus bezahlt, und er mußte seinen Teil des Vertrages erfüllen, sagte er sich.
Nein, das war nicht der einzige Grund, gestand er sich ein, denn von Anfang an hatte er sich nach seinen eigenen Beweggründen gefragt, weshalb er dieses Mädchen als blinden Passagier auf das Schiff zu schmuggeln bereit gewesen war. Das Risiko war groß, und er war nicht sicher, daß er etwas derartig Unvernünftiges nur der wertvollen Perlen wegen getan hatte. Etwas in der beherzten Entschlossenheit Elizas hatte ihn angerührt, etwas in ihrer Zartheit und in ihrer tapferen Liebe ihn an Lin erinnert…
Am frühen Morgen endlich ließ das Bluten nach. Elizas Körper flog im Fieber, und sie zitterte trotz der unerträglichen Hitze im Laderaum, doch ihr Puls war besser, und sie atmete ruhig im Schlaf. Aber noch war sie nicht außer Gefahr. Tao Chi’en wünschte, er könnte hierbleiben und bei ihr wachen, nur leider war ihm klar, daß es bald hell werden und die Glocke ihn zur Arbeit rufen werde. Er schleppte sich erschöpft an Deck, ließ sich auf die nackten Bretter fallen und schlief wie ein Säugling, bis ein freundschaftlicher Fußtritt von einem Matrosen ihn weckte, um ihn an seine Pflichten zu erinnern. Er steckte den Kopf in einen Eimer mit Seewasser, um wach zu werden, und schwankte immer noch halb betäubt in die Küche, um den Haferbrei zu kochen, der das Frühstück an Bord darstellte. Alle aßen ihn ohne Murren einschließlich des enthaltsamen Kapitäns, nur die Chilenen protestierten im Chor, obwohl sie doch als zuletzt Eingeschiffte noch die eine oder andere Leckerei bei sich hatten. Die übrigen hatten ihre Vorräte an Tabak, Alkohol und Süßigkeiten ganz und gar aufgebraucht in den harten Monaten auf See, die sie schon vor dem Einlaufen in Valparaíso hatten durchstehen müssen. Das Gerede hatte sich verbreitet, einige der Chilenen seien Aristokraten, deshalb verstünden sie nicht, ihre eigenen Socken zu waschen oder Wasser für Tee zu kochen. Diejenigen, die erster Klasse reisten, hatten Diener mitgenommen, die sie in die Goldminen schicken wollten, denn der Gedanke, sich persönlich die Hände schmutzig zu machen, kam ihnen gar nicht erst in den Sinn.
Andere bezahlten lieber Matrosen dafür, daß sie sie bedienten, weil die Frauen sich geschlossen weigerten, es zu tun; sie konnten zehnmal mehr einnehmen, wenn sie sie für zehn Minuten in der Abgeschiedenheit ihrer Kabine empfingen, statt zwei Stunden damit zu verbringen, ihnen die Wäsche zu waschen. Die ganze Mannschaft und die übrigen Passagiere machten sich lustig über diese verwöhnten Herrchen, aber niemals in ihrer Gegenwart. Die Chilenen hatten gute Manieren, schienen schüchtern zu sein und taten sich groß mit Höflichkeit und Ritterlichkeit, aber der kleinste Funke genügte, um ihren Hochmut zu entflammen. Tao Chi’en war
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