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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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geschwächt waren durch das vergossene Blut, auch wenn ihre Wunden nicht zu schwären begannen. Und nach deren Schließung und Heilung blieben die Verwundeten noch über Wochen in einem Zustand der Schwäche.«
    Lascaux erhob belehrend die Hand.
    »Eben deshalb, weil ein Teil ihres Blutes verdorben war. Ihre Heilung wäre schneller vonstatten gegangen, hätte man ihnen dieses Blut abgezogen.«
    Hierüber sann mein Vater einen Augenblick nach und sagte dann:
    »Wenn Ihr von einem verdorbenen Teil des Blutes sprecht, dann muß also ein anderer Teil des Blutes gesund sein. Und woher weiß man beim Aderlaß, daß man verdorbenes Blut abzieht und nicht gesundes?«
    Dies schien Lascaux in einige Verlegenheit zu versetzen. Doch er war trotz seiner Aufgeblasenheit schlau genug, sich mit einer spöttischen Bemerkung aus der Schlinge zu ziehen.
    »Hoho, Herr Baron, das Wort der berühmtesten Heilkünstler des Königreiches gilt also nichts in Euern Augen! Ihr seid ein gar großer Zweifler! Ihr glaubet ebensowenig an den Aderlaß wie an die Jungfrau Maria und seid ketzerisch in der Heilkunst wie in der Religion …«
    Mein Vater, der ihm diesen Scherz nicht krummnahm, lud Lascaux zum Essen ein und ließ gehörig auftafeln. Nach Sarlat zurückgekehrt, schrieb der Arzt an Fontenac, der Baron von Mespech sei ein ganz ordentlicher Mann, wiewohl von höchst absonderlichen Ansichten; doch gleichwohl zeige die Kranke, die er genugsam habe beobachten können, alle Anzeichen einer baldigen Genesung. Etliche Jahre später fiel mir dieses Schreiben im Archiv des Schlosses Fontenac in die Hände; es trug auf der Rückseite eine Anmerkung von der Hand des Barons, daß er dem großen Medicus von Sarlat für diese Konsultation fünfzig Dukaten gezahlt.
    Weitere solcher »Konsultationen« gab es freilich nicht, denn Jean de Siorac sandte Fontenac ungesäumt ein Schreiben, worinnen er ihn zwar höflich, doch mit allem Nachdruck an ihre Abmachungen erinnerte. Auf diese Weise der alleinigen Behandlung durch meinen Vater anvertraut, konnte Diane langsam weiter genesen und zeigte sich zuweilen hinter den Fensterkreuzen des Torhauses, indes wir letzte Hand an die Wallmauer legten.Da jener September sonnig und mild war, öffnete Diane, eingehüllt in einen weißen Pelz, dann und wann das Fenster und schaute uns zu, den Anflug eines Lächelns auf den noch bleichen Lippen. Es entging mir nicht, daß ihr Erscheinen eine große Wirkung auf meinen älteren Bruder tat, welcher dann reglos, mit schlaff herabhängenden Händen und starren Augen auf der Stelle verharrte. Wer hätte je gedacht, daß dieser Duckmäuser soviel Feuer in den Adern, eine solch lebhafte Vorstellungskraft und ein so leicht entflammbares Herz hatte? Diane schaute auf uns alle herab, ohne jemanden im besonderen anzublicken, doch war ihren grünen Augen François’ Verwirrung nicht entgangen. Sobald er den Blick senkte, sich wieder seiner Arbeit und Hantierung zuzuwenden, warf sie ihm blitzesschnell einen flüchtigen Blick zu; sie wandte ihre Augen jedoch so schnell wieder ab, daß der arme François kaum eine Ermutigung darin zu erkennen vermochte. So benehmen sich junge Mädchen, wenn sie wohlerzogen sind.
    Die kleine Hélix zeigte sich in unseren Nächten von einer wesentlich ungezierteren Art.
    »Böser Pierre!« sprach sie zu mir, nachdem Barberine die Lampe gelöscht hatte und selbst wie erloschen in tiefen Schlaf gesunken war. »Was gaffst du so oft nach diesem Schloßpüppchen! Dein älterer Bruder ist ihr schon ganz und gar auf den Leim gekrochen, der Ärmste! Und dir gefällt sie wohl auch, diese Bohnenstange?«
    »Sie ist gar schön von Angesicht«, erwiderte ich, sie zu necken.
    »Papperlapapp!« sprach sie mit Ungestüm. »Sie ist bleich wie eine weiße Rübe und ihre Brust platt wie eine Wanze.« Und mit diesen Worten warf sie sich über mich und preßte mir ihre Brüste auf die Augen, um »sie mir zu verschließen«, wie sie sagte.
    Unter unserem Gesinde ward nicht wenig geklatscht über die Einquartierung im Torhaus, und insonderheit in Küche und Spülkammer, allwo die Zungen der Maligou und Barberines kaum zum Stillstand kamen. Allein in der Bibliothek, unter den Brüdern, fiel kein Wort darüber, im »Buch der Rechenschaft« findet sich kein Hinweis, und man vermied noch die kleinste Anspielung gegenüber François, der wohl wußte, was dies Schweigen zu bedeuten hatte, und zuweilen ein verzweifeltes Gesicht zeigte.
    Am ersten Oktober traf bei den Brüdern ein

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