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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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gutherzigem Wesen, darin ihrer Mutter ähnelnd und nicht dem Tiger, den sie zum Vater hat; welche Beschreibung die Phantasie der drei Knaben von Mespech aufs höchste anregte.
    Was sich Jean de Siorac indes hütete zu sagen, war, daß er an Diane die Anzeichen der Pest entdeckt hatte.
    Wiewohl jener September sehr mild war, mußte auf sein Geheiß im Kamin der Krankenstube Tag und Nacht ein großes Feuer brennen, denn er vermeinte, daß die Pest sich durch eine Verseuchung der Luft ausbreite und letztere durch das Feuer gereinigt werde. Aus gleichem Grund betrat er Dianes Gemach nie ohne eine Maske vor Mund und Nase, welche er beim Verlassen ins Feuer warf. Hierauf begab er sich in seine Bibliothek – wobei sich ihm niemand nähern durfte – und ließ zwei Zuber mit heißem Wasser herbeitragen. In den einen warf er dann seine Kleider, und in den anderen tauchte er selbst mit seinem ganzen Körper ein, so sehr war er überzeugt von der heilsamen Kraft der Hitze gegen jegliche Verseuchung. Die gleichen Vorkehrungen verordnete er auch Toinette, der Kammerjungfer Dianes, und sogar Escorgol, welcher in Toinettes Nähe kam, wenn er ihr Feuerholz und Speisen brachte. Noch nie zuvor in seinem Leben hatte der arme Escorgol so oft gebadet, und er beklagte sich bitter darüber, befürchtete er doch, seine Haut könne sich durch soviel Wasser abnützen oder erweichen. Als ich später meinen gelehrten Professores an der Medizinischen Schule zu Montpellier darüber berichtete, belustigten diese sich gar sehr, denn nach ihrem Bedünken vermochte Wasser auch in erhitztem Zustand nichts auszurichten gegen eine Verseuchung der Luft, weil Wasser und Luft ihrem Wesen nach unvereinbare Elemente sind: zweifelsohne ein folgerichtiger Schluß. Nichtsdestoweniger steckte sich auf Mespech niemand an der Pest an, weder Toinette noch Escorgol und auch nicht mein Vater. Vielleicht hatten diese seltsamen Vorkehrungen doch ihr Gutes.
    Diane litt an einem heftigen alltägigen Fieber, dazu war sie stark abgemagert und sehr schwach, denn die Amme, welche sie auf Fontenac gepflegt, hatte es für angebracht gehalten, sie auf schmale Kost zu setzen. Mein Vater, welcher eine stark verringerte Harnausscheidung festgestellt hatte, verordnete der Kranken Milch, soviel sie trinken wolle, und so trank sie, ständigfröstelnd und von einem schier unstillbaren Durst gequält, bis zu zwei Liter am Tage davon.
    Den sechsten Tag stellte mein Vater fest, daß ein großes Geschwür in der Leistenbeuge in Eiterung überzugehen begann. Er schrieb an Fontenac, seine Tochter befände sich auf dem Wege der Besserung: so der Eiterfluß anhalte, bestünde Hoffnung auf gänzliche Heilung.
    Zwei Tage nach Übermittlung dieses Briefes erhielt Mespech den Besuch eines berühmten Arztes aus Sarlat, Anthoine de Lascaux, welcher im Auftrag des Barons von Fontenac die Kranke zu sehen wünschte. Und in der Tat »sah« er sie nur, denn er wagte sich nicht weiter als bis zur Schwelle ihrer Kammer. Hierauf befand er, die Kranke sehe nicht schlecht aus, doch müsse man ihr, um die Heilung zu beschleunigen, täglich zwei Pinten Blut abzapfen.
    »Sie zur Ader lassen!« sprach mein Vater, »aber warum denn nur?«
    Anthoine de Lascaux, ein stattlicher Mann von schönem Äußeren und sehr von sich überzeugt, lächelte über die Unwissenheit dieses Lizentiaten und ließ sich herab, ihn mit den neuesten Erkenntnissen der medizinischen Kunst zu erleuchten:
    »Ich sehe wohl, daß die Kunde vom häufigen Aderlaß als Mittel der Heilung noch nicht bis zu Euch gedrungen ist, Herr Baron. Er ist jedoch ganz unübertrefflich bei allen Übeln und stehet hoch in Ehren, seitdem ihn Leonardo Botalli, der berühmte italienische Leibarzt Karls IX., am französischen Hofe eingeführt.«
    »Und was bewirket dieser Aderlaß?«
    »Er befreit den Leib des Kranken von dem verdorbenen Blut. Es wird Euch nicht unbekannt sein, daß in einem Brunnen um so mehr gutes Wasser nachläuft, je mehr fauliges man abschöpft. Ähnlich verhält es sich mit dem Blut und dem Aderlaß.«
    »Ein Vergleich ist kein Beweis«, erwiderte mein Vater nach einem Augenblick des Nachdenkens. »Das Wasser eines Brunnens erneuert sich vermöge der Quelle, welche ihn speist. Doch es ist nicht bekannt, wie sich das Blut erneuert.«
    »Blut entsteht aus Blut«, erklärte Lascaux mit gravitätischer Miene.
    »Vielleicht ist dem so. Allein dies braucht Zeit. Ich habe auf meinen Feldzügen Tausende von Verwundeten gesehen, welchehöchstlich

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