Fortune de France: Roman (German Edition)
entledigend, desgleichen Sauveterre trotz seines lahmen Beines, und sogar Catherine und die Gavachette, welche zur Aufgabe hatten, zwischen den Steinblöcken nach flachen, zum Verkeilen der Mauersteine geeigneten Bruchstücken zu suchen.
Daß während dieser langen Arbeit Herren und Diener einander so nahe waren, welche Nähe durch das gemeinsame Werk noch verstärkt ward, wußten letztere schlau zu nutzen, um das eine oder andere Anliegen vorzubringen. So ließ Jonas auf geschickte, unauffällige perigurdinische Art, als spräche er im Scherz, die Bemerkung fallen: Wenn er nun schon einmal bei der Arbeit sei, könne er sich doch gleich, mit Erlaubnis der Herren, ein Haus über seiner Höhle bauen, damit er nicht sein ganzes Leben lang wie ein Wilder hausen müsse. Mein Vater nahm sein Anliegen nicht ungnädig auf und ließ sich halb im Ernst, halb im Scherz zu einem halben Versprechen hinreißen. Bei Sauveterre indes, den schon die Aufwendungen für die Wallmauer schreckten, stieß er auf taube Ohren und eine abweisende Miene.
Alles in allem mußten jeden Tag gut fünfundzwanzig Personen verköstigt werden, und so stöhnte die Maligou – welche im Grunde recht froh war, ihr Essen einmal unter freiem Himmel bereiten zu können und so viele Leute um sich zu sehen –, sie wisse nicht, wo ihr der Kopf stehe vor Arbeit, zumal ihr Barberine nur eine kleine Hilfe war: sowie sie Jacquou an eine ihrer weißen Brüste anlegte, hub Annet, so groß er schon war, zu schreien an, um die andere zu bekommen, die sie ihm auch nicht vorenthielt, auf diese Weise ihre unversiegbare Milch teilend wie einst die Wölfin von Rom zwischen Romulus und Remus. Es war ein wunderbarliches Schauspiel, wenn Barberine auf jeder Seite einen dieser Nimmersatte an der Brust liegen hatte, und ich hielt in der Arbeit inne, ihnen zuzusehen. Ihr Anblick rührte mich, und ich spürte schier Eifersucht bei dem Gedanken, daß vordem, in der Blüte ihrer achtzehn Jahre, Barberine mich ebenso genährt wie die beiden und ich jetzt ein so großer Bursche war, der sich im Waffenhandwerk übte und dielateinische Sprache, die Geschichte des Königreiches als auch – von meinem Vater – die Geheimnisse der Medizin erlernte.
Siorac und Sauveterre wußten sehr wohl, daß selbst mit dieser neuen Befestigung Mespech einer mit Kanonen ausgerüsteten königlichen Streitmacht nicht widerstehen könnte. Sie hatten bereits dem Kriminalleutnant versichert und nahmen Gelegenheit, vor Monsieur de Salis, dem Generalleutnant des Périgord, zu wiederholen, daß sie als getreue Untertanen ihre Tür weder dem König noch den königlichen Offizieren je verschließen würden.
Doch andere Gefahren waren zu befürchten. Seit das Pariser Parlament die Reformierten in Acht und Bann getan, kam der gemeine Pöbel, welcher darin einen Freibrief zum Rauben, Morden und Schänden sah, allerorten wie Ungeziefer aus seinen Verstecken gekrochen. Die Strauchdiebe und Straßenräuber, das Diebsgesindel und Bettelvolk, die Gauner und Galgenvögel verließen die stinkenden Löcher, worinnen sie sich verborgen gehalten, rotteten sich frech zusammen und begingen unter dem Deckmantel der Religion die schlimmsten Untaten in abseits gelegenen Häusern der Hugenotten. Zwar trieben solche Banden bis dato nur im Norden des Königreiches ihr Unwesen und vornehmlich in den Provinzen Anjou und Maine, doch konnte es in den Verläufen des Bürgerkrieges leicht geschehen, daß sie auf der Suche nach neuen Abenteuern und neuer Beute auch nach Guyenne gelangten, wo Montluc gewißlich nicht den kleinen Finger gegen sie rühren würde.
Wir selbst waren noch viel näheren Gefahren ausgesetzt, wie Jean de Siorac nicht ohne Absicht gegenüber Guillaume de la Porte bemerkt hatte. Unser Nachbar Bertrand de Fontenac, welcher uns wegen der Verbannung seines Vaters haßte, hatte schon einen Beweis dafür geliefert, indem er uns die Zigeunerbande auf den Hals gehetzt, als Jean de Siorac vor den Mauern von Calais kämpfte. Es stand also zu befürchten, daß er, ermutigt durch die Verfolgungen, denen die Unseren im ganzen Königreiche ausgesetzt waren, von neuem ein hinterhältiges Bubenstück gegen Mespech unternahm.
Indes wir solcherlei Befürchtungen gegen unseren greulichen Nachbarn hegten, ging die Ringmauer ihrer Vollendung entgegen, und Escorgol hatte bereits im ersten Geschoß des Torhauses Posten bezogen, als den Herren Brüdern zu ihrer höchstenÜberraschung von einem reitenden Boten eine Nachricht des Barons
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