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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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nachjagt:
    »Lieber Gott im Himmel, heiliger Jesus, liebe Mutter Gottes und du, heiliger Joseph, beschützet mich! Wir haben den Teufel im Haus oder zumindest einen der siebenundsiebzig Höllengeister!«
    Und sich mehrmals bekreuzigend, lief sie, unser hölzernes Salzfäßchen zu holen, um unter vielerlei seltsamen Gebärden und Gemurmel eine Prise nach der anderen um den Diebsbruder zu streuen.
    »Einfältige Närrin!« herrschte ich sie an und entriß ihr das Fäßchen. »Das teure Salz so verschwenden und dazu noch Maria anrufen! Soll ich das meinem Vater vermelden?«
    »Aber es ist doch der Teufel!« kreischte sie, sich wiederum hektisch bekreuzigend, wobei ihr vor lauter Zittern und Aufregung die Haube fast vom Kopf rutschte.
    In diesem Augenblick öffnete der Spitzbube seine noch etwas glasigen Augen, und noch ehe er wieder zu vollem Bewußtsein gelangt war, kaute er schon wieder an seiner Schinkenscheibe, welche er selbst im Zustand der Bewußtlosigkeit fest zwischen den Zähnen behalten hatte.
    »Es ist der Teufel!« schrie die Maligou, erschreckt zurückweichend, als täte sich die Hölle vor ihr auf. Dann sank sie auf die Knie, faltete die Hände, richtete die verdrehten Augen zum Himmel und stieß mit schriller Stimme hervor:
    »Heilige Mutter Gottes! Von Frau zu Frau flehe ich dich an, beschütze mich vor diesem Höllengeist!«
    »Schluß mit dem Blödsinn!« sprach ich mit Nachdruck. »Es ist nicht der Teufel! Der Kerl ißt!«
    »Aber der Teufel ißt auch, Moussu Pierre!« rief die Maligou, und in ihrer Entrüstung über meine Unwissenheit vergaß sie beinahe ihren Schrecken, stellte sich wieder auf ihre dicken Beine und fuhr fort: »Der Leibhaftige hat dieselben Bedürfnisse wie der Mensch, nur siebenmal größer. Er frißt wie ein Scheunendrescher, säuft wie ein Kutschknecht, pißt wie ein Wasserfall, rülpst wie ein Donnerschlag und hurt wie ein geilerter Bock.«
    »Er hurt?« fragte ich mit Erstaunen.
    »Aber gewiß!« erwiderte die Maligou. »Er hat ein Gemächt siebenmal größer als ein Mann, und beim Hexensabbat treibt er es von Mitternacht bis zum Morgengrauen ununterbrochen mit siebenmal sieben Hexen.«
    »Das wäre wohl so recht nach deinem Geschmack, du verbuhltes Weibsstück, das seinen Köcher für jeden Pfeil öffnet«, sprach ich spöttisch.
    »Die Mutter Gottes bewahre mich vor solch unzüchtigen Gedanken!« rief die Maligou mit scheinheilig gesenkten Lidern. »Und wenn sich mir trotzdem einmal ein solcher Gedanke im Hinterkopf regt, dann nicht durch meine Schuld, sondern gegen meinen Willen.«
    »Und nun geh, alte Metze«, sprach ich, »vermelde meinem Vater diesen seltsamen Besuch. Doch nein«, besann ich mich, »ich werde selber gehen«
    »Heiliger Jesus«, heulte die Maligou auf, zitternd wie Gallert. »Ich soll hier allein bleiben mit diesem abscheulichen Höllengeist, der über die Dächer fliegt und durch Mauern geht!«
    »Nun gut, dann läufst du zum Herrn Junker und ich zu meinem Vater. Dieser Teufel hier wird uns nicht entkommen, denn seine Stricke sitzen fest.«
    Doch ganz sicher war ich mir dessen nicht, und so eilte ich, so schnell ich konnte, zur Kammer meines Vaters, an die ich atemlos und voller Ungeduld anklopfte, ohne daß mir eine Antwort ward. Verwundert über diese Stille, öffnete ich die Tür einen Spalt breit und warf einen flüchtigen Blick hinein. Ich sah ein verlegenes Bett und eine zurückgeschlagene Decke, doch keinen Vater. ›Zum Teufel!‹ dachte ich. ›Wie seltsam! Der eine taucht auf, und der andere verschwindet.‹ Da ich indes mutmaßte, daß diese Teufelei sehr menschliche Ursachen habe, schloß ich die Tür leise wieder, schlug laut mit der Faust dagegen und schrie: »Mein Herr Vater, zu Hilf! zu Hilf!« Hierauf verfügte ich mich in Windeseile wieder in den großen Saal, wo der Kerl gottlob noch immer mit den Händen auf dem Rücken an das Tischbein gefesselt saß, dabei mit so viel Begierde auf seinem Schinken kauend, daß ihm das Wasser aus den Mundwinkeln lief. Sein Hunger muß gewaltig gewesen sein, daß er hier so seelenruhig aß, wo er doch in weniger als einer Stunde kraft der grundherrlichen Gerichtsbarkeit an unserem Galgen baumeln würde. Mich vor ihn auf den Boden setzend und ihn schweigend betrachtend, ward ich unversehens von einigem Mitleid ergriffen, um so mehr, da er ein gutmütiges Gesicht hatte, ohne einen Ausdruck von Gewalttätigkeit in seinen Zügen noch von Wildheit in seinen Augen, und kaum älter zu sein schien denn

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