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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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ich.
    Er hatte einige Mühe, unseren Schinken hinunterzuschlucken, war dieser doch gar trocken, hart und salzig, und als er ihn nach mehreren Versuchen endlich durch die Kehle gewürgt hatte, holte ich eine Schale Milch, die ich ihm an die Lippen hielt. Er trank mit großer Gier, dabei aus seltsam zwiefarbenen Augen – das eine blau, das andere braun –, die sanft und liebevoll wie die eines Hundes waren, mich anblickend. Sein Kopf war von kurzgeschorenem, dichtem fahlrotem Haar bedeckt.
    Nachdem er sich an der Milch gelabt, lächelte er mir mit seinem breiten Mund so offen und freundschaftlich zu, daß er wohl schon vergessen zu haben schien, wie er sich noch vor wenigen Minuten mit dem Messer auf mich gestürzt und ich ihn niedergestreckt hatte.
    Indes ich ihn beobachtete, füllte sich der Saal mit unseren Leuten, welche sich alle atemlos, schweigsam und mit weitaufgerissenen Augen in gehöriger Entfernung von dem Eindringling an die Wand drückten. Faujanet, die Brüder Siorac und Marsal Schielauge zeigten sich noch einigermaßen gefaßt, doch die Frauen, ob groß oder klein, drängten sich samt den Kindern zitternd in eine Ecke, Jacquou in den Armen Barberines, Annet in ihren Röcken, wo auch die kleine Hélix – welche Schande, da sie schon siebzehn Jahre zählte! – sich verkroch, ganz zu schweigen von der aschfahlen Catherine, der jammernden Gavachette und der Maligou, welche unter vielerlei Gebärden, Zeichen und Grimassen unaufhörlich Gebete murmelte, dabei die Arme um ihre Röcke schlingend, als wolle sie den höllischen Kräften den Zutritt verwehren. Indes keine Franchou, wie mir sogleich auffiel.
    Alsdann erschien mein älterer Bruder François, nicht bleicher und gedankenverlorener als gewöhnlich seit dem Weggang Dianes, doch das lange, brave Gesicht verschlossen und geflissentlich mich übersehend – also wußte er schon, daß ich die Hauptperson in der ganzen Sache war.
    Mit ihrem schweren Soldatenschritt kam fast zur gleichen Zeit Alazaïs angestapft und stellte sich, die Ecke der Weiber verschmähend, neben die Brüder Siorac, die sie um eine halbe Haupteslänge überragte. Von dort betrachtete sie das Geschehen mit unbewegter Miene, denn sie fürchtete nichts und niemanden in dieser vergänglichen Welt: ihr Auge war auf Gott gerichtet.
    Samsons erster Blick beim Eintreten galt mir, und als er sich vergewissert hatte, daß ich heil und gesund sei, kam er auf mich zu, das rotgelockte Haar wie einen Heiligenschein um den Kopf, ergriff meine Hand und nahm den Eindringling in Augenschein. Und nach erfolgter Musterung lächelte er mir zu, unfähig, weder Haß noch Angst zu empfinden.
    Den humpelnden Sauveterre im Gefolge, erschien endlich mein Vater, sein Wams zuknöpfend, das Auge keineswegs so engelhaft wie Samson, den Körper sehr gestrafft. Er machte einen etwas müden, doch aufgeräumten Eindruck.
    »Woher kommt dieser Kerl?« fragte er, auf den Eindringling weisend, mit vergnügter Miene, die freilich nicht dem ungebetenen Gast zu gelten schien.
    Mich erhebend, gab ich einen ziemlich wahrhaftigen, aber nicht ganz vollständigen Bericht. Weil es mir nämlich widerstrebte, den Spitzbuben allzusehr zu belasten, erwähnte ich nicht, daß er sich mit gezücktem Messer auf mich gestürzt, welche Auslassung der arme Kerl mit Dankbarkeit zur Kenntnis nahm, wie ich am Blick seiner zwiefarbenen Augen ersah.
    Indes ich also sprach, tauchte mein Vater allmählich aus jenem Nebel von Glückseligkeit auf, der ihn umgab, und als ich geendet, befand er sich wieder auf der Erde, die Miene ernst und düster. Denn wenn es diesem jungen Burschen gelungen war, über unsere Mauern und den Weiher zu gelangen, all unsere Befestigungen zu überwinden und bis in die Burg vorzudringen, würden andere, gefährlichere Leute solches auch vermögen.
    »Bube«, richtete mein Vater das Wort an ihn, sich in gehöriger Entfernung haltend, doch aus ganz anderem Grund als die Maligou, »wie heißt du?«
    »Miroul.«
    »Und woher stammst du, Miroul?«
    »Aus einem Flecken namens Malonie, bei Vergt gelegen.«
    »Gottlob!« sprach mein Vater mit einem Seufzer der Erleichterung, »aus dem reinen Périgord! (Denn der Norden der Provinz war nicht von der Pest erfaßt.) Bist du durch pestverseuchte Orte gekommen?«
    »Nein. Ich habe die Dörfer und Marktflecken gemieden, mich nur in den Wäldern aufgehalten, wo ich auch schlief.«
    »Und wie bist du zum Dieb geworden?«
    »Am 25sten des vergangenen Monats sind bewaffnete Räuber in

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