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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Kühe, das Mästen der Schweine, das Brotbacken, das Wasserholen, das Umgraben des Küchengartens, die Kornfuhren zur Mühle, das Schleudern des Honigs, das Einfangen der schwärmenden Bienen, das Säubern der Gräben, das Ernten der Nüsse, Kastanien, Äpfel und anderen Früchte? Ganze drei Mann: Marsal Schielauge, Benoît und ich (also war Michel der Beschwerdeführer), obwohl fünf schon kaum ausreichten. Ich spreche nicht von der Feldbestellung, der Heumahd, der Getreideernte und der Weinlese, wo alle mit Hand anlegen, sondern von den ungezählten tagtäglichen Hantierungen und Verrichtungen in Haus, Stall und Feld. Drei Mann sind dafür viel zuwenig, und wenn gar wieder eine bewaffnete Bande Mespech angriffe wie weiland die Zigeuner,hätten wir nicht einmal genügend Leute zur Verteidigung der Wälle.«
    Vor diesen Klagen verschloß Sauveterre in seiner großen Sparsamkeit stets die Ohren, während mein Vater seinen Vettern zwar recht gab, ohne indes Abhilfe schaffen zu können, da die Pest jede Anwerbung unmöglich machte. Doch dann kam ihm der Zufall auf eine ganz ungewöhnliche Art zu Hilfe.
    Wie schon vermeldet, pflegte ich mich sehr früh am Morgen zu erheben, da es mich nicht mehr im Bett hielt, sobald ich erwacht war, und stieg schon bei Tagesanbruch in den Burgsaal hinab, noch ehe die Maligou erschien, das Feuer anzuzünden und die Milch zu kochen. Meist entfachte ich selbst das Feuer wieder, denn es machte mir Spaß, die unter der Asche verborgenen Glutreste aufzuspüren und aus Leibeskräften darauf zu blasen, damit sie in flammendem Rot aufflackerten, ehe ich das Reisig auflegte. Genau das tat ich an jenem 29sten August, während im Hause noch alles schlief und ich die morgendliche Stille und den ersten Vogelgesang genoß. Da vernahm ich unversehens ein leichtes Geräusch in unserer Fleischkammer, jenem kühlen Raum, kaum erhellt durch ein nach Norden gerichtetes winziges Fensterchen, worinnen eingesalzenes und gepökeltes Fleisch in mannigfaltiger Menge von den Deckenbalken hing. Vermeinend, daß dort unser Kater einem Mäuslein nachjage, näherte ich mich auf leisen Sohlen der Kammertür, mich an dem Schauspiel zu ergötzen. Doch was erblickte ich? Weder Katz noch Maus, noch sonst ein Tier, sondern einen Kerl von etwa fünfzehn Jahren, ganz in Lumpen gehüllt und von Wasser triefend. Er saß auf einem Schemel und hielt einen unserer Schinken zwischen den Knien, wovon er mit seinem langen, spitzen Messer ein Stück abschnitt, indes er bereits wacker an einer Scheibe kaute, die ihm zu beiden Seiten aus dem Munde hing. Meinen Augen nicht trauend, verharrte ich staunend an der Tür und fragte mich, wie der Kerl wohl all unsere Befestigungsmauern überwunden, als er, den Kopf hebend, mich gewahrte, blitzschnell auf die Füße sprang, den Schinken fallenließ und sich mit erhobenem Messer auf mich stürzte.
    Von Cabusse hatte ich gelernt, wie man sich eines so heimtückischen Angriffes erwehrt. Mein Stiefel traf den Burschen hart im Magen, und indes er sich zusammenkrümmte, versetzteich ihm einen zweiten Tritt, diesmal an den Kopf. Das Messer entglitt seiner Hand, doch der Schinken nicht seinen Zähnen, und er fiel zu Boden. Mich nach etwas umblickend, womit ich ihn fesseln könne, gewahrte ich neben dem Schemel, worauf er gesessen, ein Seil mit einem Haken daran. Damit band ich ihm die Hände auf den Rücken und schleifte ihn in seinem Zustand der Bewußtlosigkeit in den Burgsaal, allwo ich ihn an ein Bein des schweren Eichentisches lehnte und daran festband.
    Nachdem ich dies bewerkstelligt, setzte ich mich nieder, ein wenig zu verschnaufen, noch immer ganz stumm und starr vor Staunen. Denn wie hatte es der Kerl wohl zuwege gebracht, nur mit Seil und Haken versehen, die Umfassungsmauer zu überklettern, ohne daß Escorgols feines Gehör etwas wahrgenommen hatte, dann ohne Schaden die Fußangeln zu überqueren, hernach noch die drei Zugbrücken zu überwinden und trotz der verriegelten und mit drei Eisenbändern bewehrten Haustür in die Fleischkammer zu gelangen, um sich an unserem Schinken gütlich zu tun?
    In diesem Augenblick trat die Maligou ein, welcher beim Anblick des Spitzbuben das Maul vor Staunen offen blieb.
    »Wer ist das? Wer ist das?« stammelte sie.
    »Das weiß ich nicht. Ich habe ihn in der Fleischkammer angetroffen.«
    Hierauf begann die Maligou überall an ihrem fetten Leib zu zittern, stieß die Arme gen Himmel und schrie, sich dabei gebärdend wie ein Huhn, dem der Fuchs

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