Fortune de France: Roman (German Edition)
Elisabeth hochmütig, »dies ist mein gutes Recht.«
Mehr brauchte Katharina von Medici nicht, um unter ihrer Fahne Katholiken wie Protestanten zu sammeln. Und so geschah das Unglaubliche: Condé schloß sich mit seinen Mannen der Armee des Konnetabels an. Gestern noch hatte man sich im Namen der Religion gegenseitig die Kehlen durchgeschnitten,heute stritt man Seite an Seite, mit geschwellter Brust hoch zu Rosse sitzend, um den Engländern eine französische Stadt zu entreißen. Die arme Elisabeth vermochte nicht zu glauben, daß man ihr solcherart »ihr gutes Recht« nehmen wollte. Doch sie hielt es nicht sehr fest in der Hand, da sie nicht die Zeit gehabt, es zu befestigen. Und so ward am 30sten Juli anno 1563 Le Havre von Condé und dem Konnetabel eingenommen.
Wenngleich die Versöhnung der Feldherren und ihrer Haudegen leicht und schnell zustande gekommen war, so zog nach dem Edikt von Amboise der Friede im Rest des Landes leider nicht in gleicher Weise ein. Eifernde Pfaffen und fanatische Adelsherren stellten Haufen von Totschlägern auf, welche den aus dem Kriege heimkehrenden reformierten Edelleuten auflauerten und sie hinterrücks überfielen. Und unsere Hugenotten hielten sich dort, wo sie die Oberhand besaßen, nicht besser an das Edikt. Zwei protestantische »Hauptleute«, Clermont de Piles und La Rivière, brachten die Stadt Mussidan in ihre Gewalt. Kurz darauf schleusten sie im Schutze der Nacht durch eine Mauerbresche einige Männer in die Stadt Bergerac, welche in den Straßen Trommeln und Trompeten erschallen ließen. Die Besatzung glaubte darauf, die Stadt sei erobert, und flüchtete sich in die Zitadelle, welche belagert, ausgehungert und eingenommen ward.
Auch in Paris war kein wirklicher Friede eingekehrt. D’An delot , seit dem Edikt von Amboise wieder Befehlshaber der Fußtruppen, fühlte seine Autorität untergraben von einem seiner Obristen, dem Katholiken Charry, der hoch in Katharinas Gunst stand. Es ging das Gerücht, Charry bereite, um den Herzog von Guise zu rächen, ein allgemeines Gemetzel unter den Protestanten vor, welches Gerücht auch unter den Unseren einige Glaubwürdigkeit fand; einer der Offiziere Colignys, geheißen Chastelier-Portaut, lauerte dem Obristen Charry auf der Sankt-Michaels-Brücke auf und stieß ihm seinen Degen in den Leib, welchen Degen er »noch zweimal in der Wunde drehte, damit sie recht groß werde«. Doch diese Wunde, an der Charry dann auch tatsächlich starb, sollte Katharina von Medici den Reformierten nie vergessen, wie sich noch zeigen wird.
So herrschte nach dem Edikt von Amboise im Königreich mehr als vier Jahre lang ein gefährlicher Zustand: kein richtigerFriede, aber auch kein wahrhaftiger Krieg. Wir, die wir im Sarladischen Land einen guten Ruf ob unserer Treue zur Krone genossen, hatten von den königlichen Beamten nichts zu befürchten. Als jedoch die Pest sich weiter ausbreitete, ward die königliche Macht im Amtsbezirk so geschwächt, daß sie ihre getreuen Untertanen nicht mehr vor den Untaten der Bösewichter zu schützen vermochte.
Ende August erhielten wir eine traurige Nachricht. Etienne de La Boétie war im Juli durch das Périgord und das Agenais gereist, ohne irgendwo verweilen zu können, da allerorten die Pest wütete, und hatte sich darauf in offensichtlich guter Gesundheit wieder nach Bordeaux verfügt. Am 8ten August hatte er sich noch mit Monsieur des Cars, seines Zeichens königlicher Leutnant in Guyenne, beim Paumeballspiel vergnügt. Dabei hatte er sich allerdings heftig erhitzt und war auch stark in Schweiß geraten, so daß er am Abend beim Zubettgehen darüber klagte, er habe sich erkältet. Am Tage darauf erhielt er einen Brief von Michel de Montaigne, worinnen dieser ihn zum Abendessen einlud. Er antwortete, daß er vom Fieber erfaßt sei und also das Haus nicht verlassen könne. Sogleich eilte Montaigne an sein Lager und fand ihn mit stark veränderten Gesichtszügen vor. Und da La Boéties Behausung zu Bordeaux von unreinen Häusern umgeben war, empfahl ihm Montaigne, die Stadt unverzüglich zu verlassen und einen ersten Zwischenaufenthalt in Germinian, einem nur zwei Meilen vor der Stadt zwischen Le Taillan und Saint-Aubin gelegenen Flecken, einzulegen. La Boétie folgte diesem Rat, doch in Germinian angekommen fühlte er sich so elend, daß er seinen Weg nicht fortzusetzen vermochte. Und so verbrachte er in dieser zufälligen Unterkunft, umgeben von seinen herbeigeeilten Verwandten und Freunden, die letzten
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