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Fortune de France: Roman (German Edition)

Fortune de France: Roman (German Edition)

Titel: Fortune de France: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Merle
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Klafter Entfernung von der Mauer wuchs. Sich mit beiden Händen am Seil festhaltend, schwang er sich sodann durch die Luft über die Fußangeln hinweg und landete am Fuße des Baumes. Er löste den Haken, und da die Hunde knurrend herbeiliefen, legte er sich der Länge lang auf den Boden, ihnen reglos seine Kehle darbietend. Sie schnüffelten daran,alsdann an seinem Gesicht und schließlich an seinem ganzen Leib, wobei ihr Knurren langsam verstummte, das gesträubte Fell sich glättete und am Ende ihre Schwänze zu wedeln begannen. Hierauf hob Miroul die Hand, und die Hunde drängten sich wie toll, sich daran zu reiben und sich streicheln zu lassen. Dies Treiben währte gut einige Minuten, dabei erhob sich Miroul aus seiner liegenden Stellung langsam auf die Knie, ging dann in die Hocke und stand schließlich aufrecht auf seinen Füßen, welche Bewegungen er alle mit großer Langsamkeit und Sachtheit vollführte und stets mit leisen Schmeichelworten an die Hunde begleitete, welche keinen Mucks taten und ihn weiter beleckten. Nachdem Miroul sich das Seil schräg über die Schulter gewickelt, begab er sich zum Ufer des Weihers, stieg ins Wasser, schwamm lautlos bis zum Waschhaus auf der Insel und erklomm mit wunderbarlicher Geschicklichkeit und Schnelligkeit das Dach.
    Jetzt kam das Schwierigste des ganzen Unterfangens. Das Seil aufschießend, warf Miroul erneut seinen Haken. Er zielte auf einen der großen eisernen Fackelhalter, welche Sauveterre kurz vor dem Angriff der Zigeuner an der Innenmauer hatte anbringen lassen. Das Ziel war klein, und Miroul mußte mehrere Versuche unternehmen, ehe sein Haken an der gewünschten Stelle festsaß. Und auch der nun folgende Aufstieg war nicht ohne Mühe noch Gefahr. Da der Fackelhalter sich einen halben Klafter unterhalb der nächsten Schießscharte befand, mußte sich Miroul mit einer Hand an dem Eisenring festklammern, die Füße auf einen winzigen Mauervorsprung gestützt, und mit der anderen seinen Haken auf die Mauerkrone werfen, wobei er hätte den Halt verlieren und ins Wasser stürzen können. Doch er brachte es glücklich zu Ende.
    »Gehen wir zurück in den großen Saal«, sprach mein Vater. »Miroul ist in der Burg, und Escorgol hat außer den Hunden nichts gehört, wie ich wetten will.«
    »Mein Herr Vater«, sprach ich, mit zugeschnürter Kehle an seiner Seite gehend, »werdet Ihr ihn nach diesem Meisterstück noch hängen lassen?«
    Das Angesicht meines Vaters verdunkelte sich.
    »Es drängt mich nicht danach, doch ich muß es tun«, sagte er.
    »Bedenket, welchen Dienst er Mespech erwiesen, indem er die Schwächen unserer Befestigungen offenbart hat: den Nußbaum,das Waschhaus, die Fackelhalter und das Fenster der Fleischkammer.«
    »All das ist wohl wahr. Doch muß er trotzdem hängen, denn er ist ein Dieb.«
    »Ein gar kleiner Dieb. Es hat Euch nicht mehr als eine Scheibe Schinken gekostet, die Schwächen Mespechs zu erfahren.«
    »Er hätte Euch töten können.«
    »Er hat keinen Versuch unternommen«, entgegnete ich, recht bedrückt, diese Lüge wiederholen zu müssen. Von meinem schlechten Gewissen zu einem halben Geständnis gedrängt, fügte ich hinzu: »Und wenn er es versucht hätte, dürfte man es ihm nicht verargen: die Ratte beißt, wenn ihr der letzte Ausweg versperrt ist.«
    »Ich kann Euch verstehen. Doch ein gefaßter Dieb muß sterben.«
    »Wenn ich mit fünfzehn Jahren meine ganze Familie verloren hätte, wäre ich dann nicht auch zum Dieb geworden?«
    »Ihr vielleicht, doch Samson nicht.«
    Nicht ohne heimliche Genugtuung bemerkte ich, daß mein Vater mit keiner Silbe François erwähnt hatte, und fuhr fort:
    »Gewißlich ist Samson ein Engel. Doch an meinem sechsten Geburtstag hat er einen Topf Honig für mich entwendet. Und nun, mein Herr Vater, bedenket den Unterschied in der Strafe: die Peitsche für einen Topf Honig, den Galgen für eine Scheibe Schinken.«
    »Es ist Jammer und Schade«, erwiderte mein Vater kühl, »daß Ihr die Heilkunst studieren wollt. Ihr würdet einen guten Advokaten abgeben.«
    »Darf ich gleichwohl fortfahren in meiner Rede?«
    »Miroul wird gehängt. Doch Ihr möget fortfahren.«
    »Mein Vater, wollen wir einen Burschen hängen, welcher kühn und geschickt genug ist, des Nachts in aller Heimlichkeit in die Burg Fontenac einzudringen? Wer weiß, ob wir nicht eines Tages ein solches Talent werden brauchen können?«
    Jetzt hatte ich wohl ins Schwarze getroffen. Allein mein Vater wollte dies nicht eingestehen. So

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