Fortune de France: Roman (German Edition)
ablegen würden. Auf Befehl meines Vaters mußten wir unterwegs Brustharnisch und Sturmhaube tragen, davon wir uns nur beim Nachtlager trennen durften: eine harte Anordnung bei der Hitze, aber so gut gerüstet wir auch waren, für eine so große Reise war unsere Truppe sehr klein.
Ich trat die Reise auf Acla an und Samson auf seiner weißen Stute Albière. Für Miroul und als Packpferd, das er führen sollte, wählte mein Vater nicht etwa Schindmähren aus, sondern zwei schnelle, ausdauernde kleine Araber, wobei er ins Feld führte, daß man es nicht riskieren dürfe, unseren wertvollen Diener oder unsere Bagage zu verlieren, wenn eine starkeRäuberbande uns überfiele und unser Heil dann einzig in der Flucht bestände.
Vor Sarlat sollten wir nach Cahors, sodann nach Montauban reiten. Doch wollte mein Vater nicht, daß wir von dort den Weg nach Castres nähmen, welcher der kürzeste gewesen wäre, aber über verschlungene Pfade durch sehr einsame Gegenden führte. Wir sollten die vielbereisten Straßen der längeren Wegstrecke über Toulouse, Carcassonne und Béziers wählen, durch die sichere Ebene.
Am Abend vor dem Aufbruch prüften mein Vater und Sauveterre, eingedenk daß sie Hauptleute in der Normannischen Legion gewesen, aufs sorgfältigste unsere Ausrüstung: Waffen, Geschirre, Trensen, Beschläge der Pferde, Packriemen, Ahlen und Garn zum Flicken der Trensen – alles wurde inspiziert.
Schließlich war der Tag unserer großen Reise angebrochen. Mein Vater, sehr bewegt, und desgleichen Oheim Sauveterre, dem man es weniger anmerkte, empfingen uns in der Bibliothek, nachdem wir schon unsere Rüstung angelegt und die Sturmhaube aufgesetzt hatten.
Sauveterre nahm als erster das Wort, uns zu ermahnen, nicht nur mit den Lippen, sondern mit dem Herzen zu Gott zu beten, die Heilige Schrift zu lesen und ihre Lehren uns zu eigen zu machen, morgens und abends die Kirchenlieder zu singen (Miroul führte seine Viole mit sich) und Gottes Wort eingedenk zu sein als immerwährendem Rat in den großen wie kleinen Dingen unseres Lebens.
Als er geendet, erteilte mein Vater uns Ratschläge, die mehr unserem Verhalten in dieser Welt als unserer Zukunft in der anderen galten.
»Meine lieben Söhne«, sprach er mit einer Stimme, die ernst und herzlich zugleich war, »beide zusammen zählt Ihr kaum dreißig Jahre, und obwohl noch so jung, werdet Ihr Euch auf den Weg machen, der weiten Welt die Stirn zu bieten. Zahllose Fährnisse wird es auf Euerm Wege geben. Begegnen müßt Ihr ihnen mit Euren Mitteln und Euern Waffen, doch wisset, daß Ritterlichkeit zuvörderst zum Ziele führt. Wahret stets Eure perigurdinische Artigkeit gegen andere, ob reich oder arm, ob Edelmann oder Bauer. Wollet durch Eure Worte oder durch Euer Verhalten niemanden kränken. Doch soll man Euch auch ansehen, daß Ihr Geringschätzung nicht hinnehmen werdet.Laßt Euch nicht leichtfertig auf Händel ein, Ihr zumal, Pierre, der Ihr so rasch in Wallung geratet, doch seid Ihr einmal darin verwickelt, weicht nicht zurück, sondern schlaget Euch wacker. Das rate ich Euch, Samson, der Ihr so lange braucht, um blankzuziehen oder Euch zu entscheiden. Bedenkt, daß Euer Zögern Euern geliebten Bruder das Leben kosten könnte, wie zu Lendrevie fast geschehen. Meidet Zechereien, Glücksspiel und Schlemmereien, welche Geldbeutel, Seele und Gesundheit ruinieren wie die Pest. Sucht Euch in Montpellier verläßliche Freunde, die keine Großmäuler und Blender sind, und wählt sie zuvörderst unter den Unseren, welche Gott sei Dank in dieser Stadt Legion sind. Wenn Ihr Fremden begegnet, seid sparsam mit Worten, doch haltet die Augen offen. Schwenkt in zweifelhafter Gesellschaft nicht Eure Fahne des Reformierten, aber verbergt sie auch nicht, wenn solches ohne Gefahr möglich ist. Und obliegt in Montpellier mit Eifer Euren Studien, denn dies ist der Zweck Eurer Reise, dafür die Baronie von Mespech viel Geld aufbringen muß. Vergesset dabei nie: was Ihr in jungen Jahren lernt, ist wie ein Kapital, daraus Ihr Euer Leben lang Zinsen ziehet.« Mein Vater hielt inne.
»Samson verwaltet den Säckel, und Pierre hat die Führung der kleinen Truppe. Miroul ist Euch untertan. Er soll sehr wohl wissen, wer das Sagen hat, Ihr oder er. Behandelt ihn gleichwohl nach seinen Verdiensten, die nicht gering sind, und höret auf seinen Rat. Das elende Los seiner Kindheit ließ ihn die Welt besser durchschauen, als Ihr es vermochtet.«
Ich meinte, mein Vater habe geendet oder sei um den
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