Fortune de France: Roman (German Edition)
gekränkt, »und mit ebensolcher Gewißheit weiß ich, daß der König bei seiner letzten Beichte, welche er bei vollen Geisteskräften ablegte, mit lauter Stimme kundtat – man hat es mir von allen Seiten bestätigt –, er habe ›ein reines Gewissen, da er niemandem auf der Welt je Unrecht getan‹.«
Sauveterre fuhr zornig auf:
»Er hat nur die Massaker unter den Waldensern im Luberon vergessen! Mérindol und Cabrières scheinen seinem Gedächtnis entglitten! Doch gewißlich hofft er, diese läßliche Sünde in seinem Fegefeuer abbüßen zu können!«
Er sprach das Wort
Fegefeuer
mit so viel höhnischer Verachtung aus, daß La Boétie recht betreten dreinblickte.
»Monsieur de La Boétie«, sprach da Siorac hastig, »vermei net Ihr, daß Diane immer noch so große Macht auf den neuen König ausübt? Schließlich zählt Heinrich nur achtundzwanzig Jahre, sie indessen achtundvierzig, und so könnte manch junge Hoflöwin ihr die Beute streitig machen.«
»Diane ist immer noch schön«, erwiderte La Boétie, froh, sich wieder auf sicherem Grunde zu befinden. »Wenn auch ihr Angesicht trotz aller Kunstmittel einige Falten zeigt, so hat sie doch einen herrlichen Leib, und der junge König ist vernarrt in seine Mätresse wie an dem Tage, da sie ihn in die Liebeskunst einweihte. Nach der Abendmahlzeit geht er zu ihr, berichtet ihr von den Staatsgeschäften, setzt sich – merket wohl! – auf ihren Schoß und spielt ihr auf der Laute vor, wobei er bisweilen innehält, ihre Brüste streichelt und zum Konnetabel sagt: ›Seht nur, Montmorency, hat sie sich nicht gut gehalten?‹ Offen gesagt, der König ist noch wie ein Kind, und er bestaunt Diane, als wäre er ganz überrascht ob ihrer Zuneigung. Sie kann mit ihm machen, was sie will.«
»Und was der Guise, die Pfaffen und Montmorency wollen«, fügte Sauveterre düsteren Blicks hinzu. »Um den innerenFrieden im Königreiche ist es nun wohl geschehen. Bald wird es in unserem armen Frankreich eine Inquisition nach spanischem Vorbild geben mit Scheiterhaufen allerorten.«
»Solches befürchte auch ich«, ließ sich La Boétie vernehmen, um nach einem Augenblick hinzuzufügen: »Es liegt mir fern, darüber zu urteilen, wie Ihr es mit den religiösen Pflichten haltet. Das ist nicht meines Amtes. Doch seid Ihr nicht ein wenig unvorsichtig? Der Generalvikar beklagt sich nämlich, daß er Euch nicht mehr zur heiligen Messe in Sarlat sieht.«
»Und ich«, erwiderte Sauveterre, »beklage mich, daß die fünfhundert Livres, welche wir ihm am Vortage des Kaufes von Mespech überreicht, niemals bei den alten Soldaten, für die sie bestimmt, angekommen sind.«
»Ich bin Euch viel zu sehr zugetan«, antwortete darauf La Boétie, »um mich zum Übermittler dieser Klage zu machen. Man würde sie Euch nie verzeihen.«
»Doch könnt Ihr«, sprach da Siorac mit einem feinen Lächeln und blitzenden Augen, »dem Herrn Generalvikar vermelden, daß wir die Messe trotzdem hören, und zwar allhier, dank jener Öffnung dort in der Wand, welche zur Burgkapelle unter uns in diesem Turme führt. Wir geben dem Pfarrer von Marcuays jeden Sonntag fünf Sols, auf daß er zur Mittagsstunde hierher komme. Madame de Siorac, die Kinder und unser Gesinde wohnen der Messe dann im Erdgeschoß bei, indessen wir sie hier von diesem Zimmer aus hören, welches mein Bruder, wie Ihr wißt, seines Leidens wegen hüten muß.«
Sauveterre hatte sich nur zur Hälfte getäuscht. Heinrich II. (oder vielmehr denen, die ihn lenkten, denn er war wie Wachs in ihren Händen) war es zwar nicht gelungen, in Frankreich eine Inquisition nach spanischem Vorbild einzuführen, obgleich der Papst ihn dazu drängte; dafür war der Widerstand der großen Körperschaften des Königreiches zu stark. Doch erließ er immer neue Edikte und schuf im Parlament zu Paris die berüchtigte Schwarze Kammer, welche eine Vielzahl von Reformierten in der Conciergerie einkerkerte, um sie dann zum Maubert-Platz schleifen zu lassen. Dort knüpfte man sie an die am Vortage errichteten Galgen und entfachte ein großes Feuer, worinnen die Gefangenen bei lebendigem Leibe verbrannten und nichts als Asche von ihnen blieb.
Im »Buche der Rechenschaft« meines Vaters finden sich aus jener Zeit Eintragungen über endlose Erörterungen zwischen den Brüdern zu der Frage, ob sie sich öffentlich zur Reformation bekennen sollten. Sauveterre meinte, die Zeit sei gekommen, da sie ihren Glauben mit ihrem Blute besiegeln müßten. Siorac hielt dagegen,
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