Fotostudio Plange I (German Edition)
nicht
sein!“
„Die Wahrheit ist hart, aber sie bleibt die Wahrheit.“
„Woher weißt du das alles?“ Ich erzählte ihm die ganze
Geschichte, denn wenn ich Offenheit predige, dann muss ich auch Ehrlichkeit
(vor-) leben. Ich schuldete mir und meinem Neffen diese brutale Aufrichtigkeit.
„Das glaube ich erst, wenn ich es selber sehe, mit
eigenen Augen!“ Seine Stimme klang fest, aber brüchig war sie auch.
Mir kam plötzlich eine Idee. Ich ergriff das Telefon und
wählte Kais Nummer, den Lautsprecher schaltete ich an, Marvin sollte alles
mithören, was gesprochen wurde. Nach dem Austausch der üblichen
Begrüßungsfloskeln kam ich zum Pudels Kern: Sebastian als Stricher! Wir waren
uns sofort einig, er würde Claudio respektive Sebastian postwendend buchen und
uns sofort nach erfolgter Absprache binnen Minutenfrist informieren.
Wie sollten uns dann sofort auf den Weg machen, um den
vermeintlichen Freund in flagranti zu erwischen. Zwar warnte er vor den möglichen
Folgen, besonders für Marvin, aber er war sofort bereit, uns aktive
Unterstützung zu gewähren.
Nach fünf Minuten klingelte das Telefon und er sagte, die
Sache wäre in trockene Tücher gepackt worden. Er gab uns seine Adresse und den
Code für die Alarmanlage, damit wir lautlos ins Haus gelangen könnten. Den Weg
zu seinem Schlafzimmer, wo er mit seinem Date beschäftigt wäre, beschrieb er
auch noch.
Während der ganzen Fahrt nach Dortmund sagte Marvin kein
Wort. Er war wie versteinert. Unschlüssig öffneten wir die Haustür und machten
uns auf in die erste Etage. Erst als er dort „seinen“ Sebastian in Aktion sah,
wie er sich von Kai bearbeiten ließ, schrie er nur: „Du Sau! Ich will ich nie,
nie, nie wieder sehen! Du hast unsere Liebe verraten! Verschwinde aus meinem
Leben!“
Er zog mich am Arm, wollte von dem Ort des Geschehens
fliehen. Wir fuhren nach Hause, die Fahrt verlief schweigend. Mein armer
kleiner großer Neffe!
Der Samstag war ziemlich gespannt. Die Konversation
beschränkte sich auf ein Minimum. Ich probiere zwar durch Gesten so eine Art
Mitgefühl auszudrücken, aber außer einem stoischen Gesichtsausdruck war keine
Reaktion vonseiten meines Kleinen zu vernehmen. Er war verbittert, geschockt.
Seine seelischen Schmerzen schienen auf seinen Körper auszustrahlen.
Die ersten Worte wechselten wir wieder beim Frühstück am
Sonntagmorgen. Er hatte schlecht geschlafen und sah entsprechend fertig aus. Er
hielt sich den Bauch, war lustlos, abgespannt, er machte den Eindruck eines
durchgefickten Eichhörnchens. Ich ließ ihn, sie so gut es ging, in Ruhe. Am
liebsten hätte ich ihn in den Arm genommen, aber durch diese Erfahrung musste
er einfach durch! Anders würde es nicht gehen!
Am Montagmorgen schrie er vor Schmerzen, als er im Bad
war. Ohne Anzuklopfen öffnete ich die Tür und ging auf ihn zu. Er stand am Klo
und versuchte wohl, Wasser zu lassen. Ohne auf sein Schamgefühl zu achten, ging
ich vor ihm in die Knie, nahm den kleinen Marvin in die Hand und betrachte ihn
genauer. Der Bonjourtropfen war sichtbar! Scheiße! „Schule fällt heute aus! Wir
fahren erst einmal ins Krankenhaus!“
Die Diagnose des Arztes war niederschmetternd. Marvin
hatte sich was eingefangen. Medizinisch nennt man die Krankheit, unter der er
litt, einfach Gonorrhoe, besser bekannt als Tripper. Wer ihn angesteckt hatte,
stand wohl außer Frage.
Tja, lieber Leser, das waren die schwärzesten Tage im
Leben meines Neffen. Er hatte seinen ersten Liebhaber verloren, den Mann, dem
er seine „Jungfräulichkeit“ schenken wollte. Das größte Geschenk, was man einem
Menschen machen kann. Und dieser Typ war auch noch für seine erste
Geschlechtskrankheit verantwortlich. In dieser düsteren Stimmung, in der sich
Marvin nun einmal befand, sollten wir seinen 17. Geburtstag feiern? Das kann ja
nicht gut gehen!
An alle Leser eine Bitte: Achtet bei der Wahl unserer
Bettgenossen auch auf deren Vorgeschichte, ich will nicht, dass ihr das Gleiche
erlebt!
Falls jemand dennoch wissen möchte, wie ich Marvin wieder
ins normale Leben zurückgeführt habe, der soll sich bitte melden! Nach der
schriftlichen Fixierung der schwarzen Tage werde ich mich erst einmal mit einer
Flasche Rotwein zurückziehen. Es liegt an euch, ob ich weiterschreiben soll!
Wenn ich an sein Leiden denke, könnte ich nur kotzen!
Marvins Burzeltach
Wie jemand von euch richtig geschrieben
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