Foules Spiel: Ein Nürnberger Fußballkrimi (German Edition)
erlaubte ihm dann aber doch, an der Führung teilzunehmen. Sie kaufte ihm sogar extra warme Skiunterwäsche und neue Stiefel für das Spiel.
»Irgendwo müssen wir ja das viele Geld hinbringen, das ich jetzt verdiene«, sagte sie lachend und wuschelte ihm durch die Haare. Patrick schaffte es, den Kopf nicht wegzuziehen.
Die Führung war interessant, auch wenn das Easy-Credit-Stadion nicht zu den aufregendsten gehörte. Die Allianz Arena, ja, das war halt ein Stadion …
Patrick hatte einen Platz oberhalb der Pressetribüne erhalten, die aber nur spärlich besetzt war, kein Wunder bei dem eisigen Wetter. Die ersten Minuten waren langweilig und Patrick beschloss, spätestens in der Halbzeit nach Hause zu gehen. So ein ödes Spiel war es nicht wert, dass man sich den Tod holte. Doch dann schossen die Stuttgarter ein Tor und er vergaß Kälte und Langeweile.
Die Stimmung war klasse und Patrick ertappte sich dabei, für den Club schreien. Was war nur los mit ihm? Er würde sich doch nicht etwa für diese Loser-Mannschaft erwärmen? Als Harry Mägerlein das Ausgleichstor schoss, sprang Patrick zusammen mit den Club-Anhängern auf und jubelte. Es war halt doch etwas anderes, wenn man den Spieler kannte. Die letzten 20 Minuten waren richtig klasse und Patrick fieberte mit dem Club. Das Glück war auf Seiten der Schwaben: In der 87. Minute schoss sich der VFB in Führung. Noch drei Minuten für den Ausgleich!
Doch es sollte wohl nicht sein. Patrick seufzte. Der Club war und blieb eben eine Loser-Mannschaft. Immerhin hatte das Glück in den letzten Minuten die Seiten gewechselt: Zwei gefährliche Torschüsse der Stuttgarter gingen nur an den Pfosten. Dabei wurde Raphael Schäfer verletzt und musste ausgewechselt werden. Das Stadion hielt den Atem an und mit ihm Patrick.
Trotz Club-Niederlage fühlte Patrick auf dem Nachhauseweg eine Art Glücksgefühl. Es war lange her, dass er ein Fußballspiel live miterlebt hatte; das letzte war vor drei Jahren in Manchester gewesen. Und egal, wie oft man zuschaute – es blieb einfach ein einmaliges Erlebnis.
In den nächsten Wochen zog es Patrick nach der Schule regelmäßig zu den öffentlichen Trainings in die Valznerweiherstraße. Eric winkte ihm immer zu, und auch Harry Mägerlein schien sich an ihn zu erinnern. Meist war das Training eher langweilig, aber Patrick fühlte sich irgendwie verpflichtet, dabei zu sein.
Witzig waren eher die Kommentare, die die anderen, in der Regel viel älteren Zuschauer machten. Patrick amüsierte sich nicht nur über die oftmals sinnlosen Bemerkungen, sondern vor allem auch über den lustigen Dialekt. Wieso nur konnten die Nürnberger kein p und t sprechen? Und dann zogen sie die Silben endlos in die Länge. Dadurch klang alles weich und labbrig. Aus einem Peter wurde ein Beeder, aus einem Tor ein Door, aus dem Club der Glubb.
»Der Drainer had doch ka Ahnung!«, rief da ein älterer Mann neben ihm.
»Ach, hald doch dei Babbn, Schorsch«, rief ein anderer dem Meckerer entgegen. »Du kennasd des a ned besser.«
»Immerhin hab ich mal für den Verein gschbield«, gab Schorsch wütend zurück.
Patrick schaute ihn neugierig an. Der Mann war circa Mitte fünfzig, einen halben Kopf größer als er und wirkte sehr durchtrainiert.
»Was is?«, fauchte er in diesem Moment.
»Ähm, nichts«, stammelte Patrick. Dann entschloss er sich für die Flucht nach vorn: »Haben Sie wirklich mal für den Club gespielt?«
»Klar«, antwortete der Mann namens Schorsch. Seine Miene wurde freundlicher. »Isd aber scho eine Weile her.« Er bemühte sich um ein verständliches Hochdeutsch.
Von hinten hörte Patrick den boshaften Kommentar »Ach, edz kumma wieder dei aldn Gschichdn«, aber Schorsch schien es nicht zu hören.
»Ich habe mid Max Morlock gschbield«, sagte er zu Patrick und schaute ihn erwartungsvoll an.
Patrick tat ihm den Gefallen, sagte: »Wow, echt?« und kramte hektisch in seinem Gedächtnis. Max Morlock? Der Name sagte ihm was. Aber was?
Richtig! Er war Spieler beim Club gewesen, die Fans hatten ihm vor einigen Jahren eine Statue gewidmet, die im Stadion stand. Aber war da nicht noch was?
Schorsch schaute ihn immer noch erwartungsvoll an. Es musste also noch etwas Bedeutungsvolleres sein. Patrick wollte schon aufgeben, da zischte es von hinten: »Bern, Vierundfuffzich«, und der Groschen fiel.
»Er hat den Anschlusstreffer erzielt, in Bern, 1954«, sagte Patrick.
»Stimmt«, sagte Schorsch und lächelte.
»Mit dem haben Sie zusammen
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