Foundation 02: Die Stahlhöhlen
lang verspürte er den Wunsch, durch den
weiten Raum (wie lächerlich groß!) auf den anderen
zuzugehen und ihm die Hand zum Gruß anzubieten; doch es war
leicht, diesen Drang zu unterdrücken. Ein Spacer würde ganz
sicherlich eine solche Begrüßung nicht gerade als angenehm
empfinden: eine Hand, die mit irdischen Bakterien bedeckt war?
Gruer saß würdevoll so weit von Baley entfernt, wie das
nur eben möglich war, die Hände in langen Ärmeln
versteckt. Wahrscheinlich trug er auch Filter in der Nase, obwohl
Baley die nicht sehen konnte.
Ihm schien es sogar, daß Gruer Daneel einen
mißbilligenden Blick zuwarf, als wollte er sagen: ›Sie
sind mir aber ein seltsamer Spacer, wenn Sie sich so nahe zu einem
Erdenmenschen stellen.‹
Das würde bedeuten, daß Gruer einfach die Wahrheit
nicht kannte. Und dann stellte Baley plötzlich fest, daß
Daneel ein gutes Stück hinter ihm stand; weiter entfernt, als er
das gewöhnlich tat.
Natürlich! Wenn er ihm zu nahe käme, könnte Gruer
sich über diese Nähe wundern. Daneel bemühte sich
immer noch darum, als Mensch akzeptiert zu werden.
Gruers Stimme war angenehm und freundlich, aber seine Augen
huschten immer wieder verstohlen zu Daneel hinüber; wanderten
weiter und kehrten dann zu ihm zurück. Jetzt sagte er: »Ich
habe nicht lange gewartet. Willkommen auf Solana, meine Herren. Alles
zu Ihrer Zufriedenheit?«
»Ja, voll und ganz«, sagte Baley. Er fragte sich, ob die
Etikette vielleicht verlangte, daß Daneel als der
›Spacer‹ für sie beide sprach, tat diese
Möglichkeit aber dann mit einigem Widerwillen ab. Jehoshaphat!
Er war es, er ganz persönlich, den man für die Ermittlungen
angefordert hatte, und Daneel hatte man später hinzugefügt.
Unter diesen Umständen fand Baley, daß er sich nicht
einmal einem echten Spacer unterordnen würde; und wenn es um
einen Roboter ging, kam das überhaupt nicht in Frage; selbst bei
einem Roboter wie Daneel.
Aber Daneel machte gar keine Anstalten, sich in irgendeiner Weise
vorzudrängen, noch schien das Gruer unangenehm oder eigenartig.
Statt dessen wandte er seine Aufmerksamkeit sofort Baley zu und
achtete gar nicht auf Daneel.
Gruer sagte: »Man hat Ihnen überhaupt nichts über
das Verbrechen mitgeteilt, Detektiv Baley, dessentwegen man Ihre
Dienste angefordert hat. Ich kann mir vorstellen, daß Sie
diesbezüglich sehr neugierig sind.« Er schüttelte die
Arme, so daß die Ärmel nach hinten fielen, und
verschränkte die Hände lose in seinem Schoß.
»Wollen Sie sich nicht bitte setzen, Gentlemen?«
Das taten sie, und Baley sagte: »Ja, wir sind in der Tat
neugierig.« Er stellte fest, daß Gruers Hände nicht
von Handschuhen geschützt waren.
Und der fuhr fort: »Das ist absichtlich geschehen, Detektiv.
Wir beschlossen, daß Sie hier eintreffen und das Problem
völlig unbefangen angehen sollten. Wir wollten keine
vorgefaßten Meinungen. In Kürze wird man Ihnen einen
vollständigen Bericht über die Einzelheiten des Verbrechens
und über die Ermittlungen, die wir bislang durchgeführt
haben, zustellen. Ich fürchte, unsere Ermittlungen werden Ihnen,
vom Standpunkt Ihrer eigenen Erfahrungen her betrachtet,
lächerlich unvollständig erscheinen. Wir verfügen auf
Solaria über keine Polizei.«
»Überhaupt keine?« fragte Baley.
Gruer lächelte und zuckte die Achseln. »Kein Verbrechen,
verstehen Sie? Unsere Bevölkerung ist winzig und lebt weit
verstreut. Es gibt keinen Anlaß für Verbrechen und deshalb
auch keinen Anlaß für Polizei.«
»Ich verstehe. Aber trotz allem haben Sie doch jetzt
Verbrechen.«
»Das stimmt. Aber immerhin das erste Gewaltverbrechen in zwei
Jahrhunderten Geschichte.«
»Dann ist es aber bedauerlich, daß Sie gleich mit Mord
anfangen müssen.«
»Ja, bedauerlich – das ist das richtige Wort. Und noch
bedauerlicher ist, daß das Mordopfer ein Mann war, den zu
verlieren wir uns eigentlich gar nicht leisten können. Ein
höchst unpassendes Opfer. Und die Begleitumstände des
Mordes waren ganz besonders brutal.«
»Ich nehme an, es ist nicht bekannt, wer der Mörder
gewesen sein könnte«, sagte Baley. (Warum sonst würde
man zur Aufklärung des Verbrechens einen irdischen Detektiv
importieren?)
Gruer schien diese Bemerkung besonders unbehaglich zu sein. Er
warf Daneel, der völlig reglos dasaß, ein Eindrücke
in sich aufnehmender, stummer Mechanismus, einen Seitenblick zu.
Baley wußte, daß Daneel jederzeit in der Zukunft imstande
sein würde, jedes Gespräch wörtlich
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