Foundation 02: Die Stahlhöhlen
schwarzen
Gegenstand heraus, der sich zu einem kleinen Buchbetrachter
auseinanderklappen ließ. Er schob eine abgegriffene Spule in
den Aufnahmeschlitz und holte dann eine Stoppuhr und eine Anzahl
weißer Plastikteile heraus, die sich zu so etwas wie einem
Rechenschieber mit drei unabhängig voneinander bewegbaren Skalen
zusammenfügen ließen. Die Markierungen darauf wirkten auf
Baley völlig fremdartig.
Dr. Gerrigel tippte an seinen Buchbetrachter und lächelte,
als bereite es ihm Freude, ein wenig arbeiten zu können.
»Das ist mein Handbuch der Robotik«, sagte er.
»Ich habe es immer bei mir. Es gehört sozusagen zu meinem
Anzug.« Er kicherte verlegen.
Dann setzte er das Okular des Betrachters an und drehte an ein
paar Knöpfen. Der Betrachter summte, hielt an, summte noch
einmal und hielt erneut an.
»Eingebauter Index«, sagte der Robotiker voll Stolz,
wobei seine Stimme etwas verändert klang, weil der Betrachter
seinen Mund halb bedeckte. »Ich habe das Gerät selbst
konstruiert. Es spart mir viel Zeit. Aber das ist ja jetzt wohl nicht
wichtig, oder? Mal sehen. Hm. Würdest du deinen Stuhl näher
zu mir heranschieben, Daneel?«
Das tat R. Daneel. Er hatte den Robotiker bei seinen
Vorbereitungen aufmerksam, aber unbewegt beobachtet.
Baley schob sich den Blaster zurecht. Was dann folgte, verwirrte
und enttäuschte ihn zugleich. Dr. Gerrigel stellte Fragen und
tat Dinge, die ihm ohne Bedeutung zu sein schienen, und wandte sich
zwischendurch immer wieder seinem dreiteiligen Rechenschieber und
gelegentlich dem Lesegerät zu.
Einmal fragte er: »Wenn meine Schwester zwei Kinder hat,
deren Alter sich um fünf Jahre unterscheidet und das
jüngere ein Mädchen ist, welches Geschlecht hat dann das
ältere?«
Daneel antwortete (unvermeidbar, wie Baley fand): »Das kann
man aufgrund der gegebenen Information unmöglich
sagen.«
Aber Dr. Gerrigels einzige Reaktion, abgesehen von einem Blick auf
seine Stoppuhr, bestand darin, daß er die rechte Hand, soweit
er konnte, seitlich abspreizte und sagte: »Würdest du die
Spitze meines Mittelfingers mit der Spitze des dritten Fingers deiner
linken Hand berühren?«
Das tat Daneel prompt und mühelos.
In allerhöchstens fünfzehn Minuten war Dr. Gerrigel
fertig. Er benutzte seinen Rechenschieber für eine letzte stumme
Berechnung und zerlegte ihn dann mit ein paar geschickten
Handgriffen. Er legte die Stoppuhr beiseite, holte das Handbuch aus dem Betrachter und klappte letzteren zusammen.
»Ist das alles?« fragte Baley und runzelte die
Stirn.
»Das ist alles.«
»Aber das ist doch lächerlich. Sie haben keine einzige
Frage gestellt, die sich auf das Erste Gesetz bezieht.«
»Oh, mein lieber Mr. Baley. Wenn ein Arzt Ihnen mit einem
kleinen Gummihammer auf das Knie schlägt und es zuckt,
akzeptieren Sie dann nicht, daß man daraus Schlüsse
bezüglich des Vorhandenseins oder des Fehlens einer gewissen
Nervenkrankheit ziehen kann? Wenn er sich Ihr Auge genau ansieht und
die Reaktion Ihrer Iris auf Licht untersucht, überrascht es Sie
dann, daß er Aussagen darüber machen kann, ob Sie
vielleicht hinsichtlich gewisser Alkaloide süchtig
sind?«
Baley sagte: »Nun? Wie entscheiden Sie?«
»Daneel ist in vollem Maße mit dem Ersten Gesetz
ausgestattet!« Der Robotiker nickte ruckartig.
»Sie müssen sich irren«, sagte Baley heiser.
Baley hätte nicht gedacht, daß Gerrigel imstande sein
würde, zu noch größerer Steifheit zu erstarren, als
sie ihm ohnehin schon eigen war. Aber genau das tat er jetzt,
unverkennbar. Die Augen des Mannes wurden schmal und hart.
»Wollen Sie mich meinen Beruf lehren?«
»Ich meine nicht, daß Sie unfähig sind«,
sagte Baley. Er hob mit einer bittenden Geste die Hand. »Aber
könnte es nicht sein, daß Sie sich irren? Sie selbst
sagten, niemand wisse etwas über die Theorie nicht-asenionischer
Roboter. Ein blinder Mann könnte mit Hilfe von Braille oder
einem Tonschreiber lesen. Angenommen, Sie wüßten nicht,
daß es Braille- oder Tonschreibegeräte gibt, könnten
Sie dann nicht durchaus guten Glaubens sagen, daß ein Mensch
über seine Sehkraft verfügt, weil er den Inhalt eines
bestimmten Buchfilms kennt, und sich doch mit dieser Aussage
irren?«
»Ja«, sagte der Robotiker, wieder freundlicher werdend,
»ich verstehe, worauf Sie hinaus wollen. Aber der Blinde
könnte dennoch nicht vermittels seiner Augen lesen; und genau
das habe ich überprüft, wenn ich Ihre Analogie benutzen
darf. Glauben Sie mir – gleichgültig, was
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