Foundation 02: Die Stahlhöhlen
müßte man
mich ins Gefängnis schicken.«
Baley ließ sie sich ausweinen. Er legte ihr den Arm um die
Schultern und starrte R. Daneel, der seinen Blick ruhig erwiderte,
mit zusammengekniffenen Lippen an.
»Ich möchte, daß du jetzt nachdenkst,
Jessie«, sagte er. »Wer war der Anführer eurer
Gruppe?«
Sie war inzwischen ruhiger geworden und betupfte sich die
Augenwinkel mit einem Taschentuch. »Ein Mann namens Joseph
Kiemin war der Anführer, aber der war ganz unbedeutend. Er war
nicht einmal einen Meter sechzig groß, und ich glaube, zu Hause
war er ein schrecklicher Pantoffelheld. Ich glaube nicht, daß
er irgendeinen Schaden anrichten kann. Du wirst ihn doch nicht
verhaften, Lije, oder? Nur weil ich das gesagt habe?« Sie sah
ihn schuldbewußt und beunruhigt an.
»Im Augenblick will ich überhaupt niemanden verhaften.
Woher hat Kiemin denn seine Instruktionen bekommen?«
»Das weiß ich nicht.«
»Sind jemals Fremde zu euren Zusammenkünften gekommen?
Du weißt schon, was ich meine: irgendwelche Bonzen aus der
Zentrale?«
»Manchmal kamen Leute, um Reden zu halten. Aber nicht oft.
Vielleicht zweimal im Jahr.«
»Kannst du dich an Namen erinnern?«
»Nein. Sie wurden immer nur als ›einer von uns‹
oder ›ein Freund aus Jackson Heights‹ oder so ähnlich
vorgestellt.«
»Ich verstehe. Daneel!«
»Ja, Elijah«, sagte R. Daneel.
»Beschreiben Sie die Männer, von denen Sie glauben,
daß Sie sie ausfindig gemacht haben. Wir wollen sehen, ob Jesse
sie erkennt.«
R. Daneel trug seine Liste mit geradezu klinischer Akkuratesse
vor. Jessie hörte mit einem Ausdruck von Unbehagen zu,
während der Roboter seine Beschreibungen lieferte, und
schüttelte immer wieder den Kopf.
»Das hat keinen Sinn, das hat wirklich keinen Sinn«,
rief sie. »Wie soll ich mich denn erinnern? Ich kann mich nicht
erinnern, wie sie ausgesehen haben, bei keinem einzigen kann ich das.
Ich kann nicht…«
Sie hielt inne und schien zu überlegen. Dann sagte sie:
»Sagten Sie, einer von ihnen sei ein Hefefarmer?«
»Francis Clousarr«, sagte R. Daneel, »ist ein
Angestellter in den New Yorker Hefewerken.«
»Nun, wissen Sie, einmal hat ein Mann eine Rede gehalten, und
ich saß zufällig in der ersten Reihe und habe einen Hauch
abbekommen, wirklich nur einen Hauch von dem Geruch roher Hefe. Sie
wissen schon, was ich meine. Ich erinnere mich nur deshalb daran,
weil ich damals eine Magenverstimmung hatte und mir von dem Geruch
fast übel wurde. Ich mußte aufstehen und nach hinten gehen
und konnte natürlich nicht erklären, warum ich das tat. Das
war so peinlich. Vielleicht ist das der Mann, von dem Sie sprechen.
Schließlich bleibt der Hefegeruch an den Kleidern hängen,
wenn man die ganze Zeit mit Hefe arbeitet.« Sie rümpfte die
Nase.
»Du erinnerst dich nicht, wie er ausgesehen hat?« fragte
Baley.
»Nein«, erwiderte sie entschieden.
»Also schön. Jessie, ich werde dich jetzt zu deiner
Mutter bringen. Bentley wird bei dir bleiben, und ihr werdet beide
die Sektion nicht verlassen. Ben soll nicht in die Schule gehen und
zu Hause bleiben. Ich werde veranlassen, daß man euch die
Mahlzeiten schickt und daß die Korridore um die Wohnung von der
Polizei bewacht werden.«
»Und was ist mit dir?« jammerte Jessie.
»Ich werde nicht in Gefahr sein.«
»Aber wie lang soll das dauern?«
»Ich weiß nicht. Vielleicht bloß ein oder zwei
Tage.« Die Worte klangen selbst für ihn hohl.
Baley und R. Daneel waren zur Autobahn zurückgekehrt; Baleys
Gesichtsausdruck wirkte finster und nachdenklich.
»Mir scheint«, sagte er, »wir haben es mit einer
Organisation zu tun, die auf zwei Ebenen aufgebaut ist. Die eine,
untere, hat kein bestimmtes Programm und hat nur den Zweck, die
Unterstützung der Massen für einen eventuellen
künftigen Coup zu liefern. Und zum zweiten gibt es da eine viel
kleinere Elite, die sich ein gutgeplantes Aktionsprogramm erarbeitet
hat. Und diese Elite müssen wir finden. Die Operettengruppen,
von denen Jessie gesprochen hat, können wir
ignorieren.«
»Alles das läßt sich folgern«, meinte R.
Daneel, »wenn wir Jessies Bericht so akzeptieren, wie wir ihn
gehört haben.«
»Ich denke«, sagte Baley ein wenig steif,
»daß man Jessies Bericht als voll der Wahrheit
entsprechend akzeptieren kann.«
»Das scheint mir auch so«, sagte R. Daneel. »An
ihren zerebralen Impulsen war nichts zu erkennen, das auf ein
pathologisches Bedürfnis zur Lüge hindeutet.«
Baley sah den Roboter beleidigt an. »Das
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