Foundation 03: Der Aufbruch zu den Sternen
Zeuge wird, wie jemand gewaltsam versucht, das Leben eines menschlichen Wesens zu beenden, würde man ›Mord!‹ rufen. Es ist höchst unwahrscheinlich, daß man ›Totschlag!‹ rufen würde. Es ist das formellere, zugleich aber auch das weniger emotionelle Wort.«
R. Daneel sagte: »Ich verstehe die Unterscheidung nicht, die Sie hier vornehmen. Da ›Mord‹ und ›Totschlag‹ beide dazu gebraucht werden, um die gewaltsame Beendigung des Lebens eines menschlichen Wesens darzustellen, müssen die zwei Worte gegeneinander austauschbar sein. Wo liegt also der Unterschied?«
»Von den beiden Worten wird das eine das Blut eines menschlichen Wesens effektiver in Wallung bringen als das andere, Daneel.«
»Warum ist das so?«
»Bedeutungen und Assoziationen; der subtile emotionale Effekt, nicht die Wörterbuchbedeutung, sondern aus Jahren des Gebrauchs herrührend. Die Natur der Sätze und Umstände und Ereignisse, in denen man den Gebrauch eines Wortes im Vergleich zu dem des anderen erlebt hat.«
»Davon finde ich nichts in meiner Programmierung«, sagte Daneel, und in der scheinbaren Gefühllosigkeit, mit der er das sagte (derselben Gefühllosigkeit, mit der er alles sagte), schwang eine seltsame Hilflosigkeit mit.
»Würdest du es mir einfach glauben, Daneel?« sagte Baley.
Und schnell, als hätte man ihm gerade die Lösung eines Rätsels angeboten, sagte Daneel: »Ohne Zweifel.«
»Nun, dann könnten wir sagen, daß ein Roboter, der funktioniert, lebt«, sagte Baley. »Viele würden es ablehnen, die Bedeutung des Wortes so weit auszudehnen, aber wir haben die Freiheit, uns passend erscheinende Definitionen festzulegen, wenn das nützlich ist. Es ist leicht, einen funktionierenden Roboter als lebend zu behandeln, und es wäre unnötig kompliziert, wollte man versuchen, ein neues Wort für den Zustand zu erfinden, oder den Gebrauch des vertrauten Wortes zu vermeiden. Du zum Beispiel, lebst, Daneel, nicht wahr?«
»Ich funktioniere!« sagte Daneel langsam und betont.
»Komm schon! Wenn ein Eichhörnchen lebt oder ein Käfer oder ein Baum oder ein Grashalm, warum dann nicht du? Ich würde nie daran denken, zu sagen – oder zu denken –, daß ich lebe, du aber nur funktionierst, besonders wenn ich eine Weile auf Aurora leben soll, wo ich mir Mühe geben muß, keine unnötigen Unterscheidungen zwischen einem Roboter und einem Menschen zu machen. Deshalb sage ich dir mit Nachdruck, daß wir beide leben, und bitte dich, mir das einfach zu glauben.«
»Das werde ich tun, Partner Elijah.«
»Und doch können wir sagen, daß die Beendigung eines robotischen Lebens durch bewußte gewalttätige Handlung eines menschlichen Lebens ebenfalls ›Mord‹ ist? Wir könnten zögern. Wenn das Verbrechen dasselbe ist, sollte die Bestrafung dieselbe sein, aber wäre das richtig? Wenn die Strafe für den Mord an einem menschlichen Wesen der Tod ist, sollte man dann auch tatsächlich ein menschliches Wesen exekutieren, das einem Roboter ein Ende macht?«
»Die Bestrafung eines Mörders ist Psychosondierung, Partner Elijah, gefolgt von dem Aufbau einer neuen Persönlichkeit. Die persönliche Struktur des Bewußtseins ist es, die das Verbrechen begangen hat, nicht das Leben des Körpers.«
»Und was ist auf Aurora die Bestrafung für jemanden, der das Funktionieren eines Roboters gewaltsam beendet?«
»Das weiß ich nicht, Partner Elijah. Soweit mir bekannt ist, hat sich so etwas auf Aurora noch nie ereignet.«
»Ich vermute, daß die Bestrafung nicht Psychosondierung sein würde«, sagte Baley. »Wie wäre es mit ›Robotizid‹?«
»Robotizid?«
»Als Terminus, der die Tötung eines Roboters beschreibt.«
»Aber wie steht es mit dem Verb, das von dem Substantiv abgeleitet wird, Partner Elijah?« fragte Daneel. »Man kann doch nicht sagen, ›robotizidieren‹. Schließlich sagt man ja auch nicht ›suizidieren‹.«
»Da hast du recht. Man würde in jedem Fall ›ermorden‹ sagen müssen.«
»Aber Mord bezieht sich doch ganz spezifisch auf menschliche Wesen. Ein Tier ermordet man beispielsweise nicht.«
»Stimmt«, räumte Baley ein. »Und man ermordet auch ein menschliches Wesen nicht zufällig, nur mit bewußter Absicht. Der allgemeinere Ausdruck ist ›töten‹. Das gilt für zufälligen Tod ebenso wie für bewußten Mord – und man wendet es ebenso auf Tiere wie auf menschliche Wesen an. Selbst ein Baum kann durch Krankheit getötet werden. Warum kann also nicht auch ein Roboter getötet werden, was,
Weitere Kostenlose Bücher