Foundation 05: Das Foundation-Projekt
so
nennt man in Mykogen die Deserteure, die natürlich der
allgemeinen Verachtung anheimfallen – trägt eine
Perücke. Das ist viel einfacher, aber bei weitem nicht so
effektiv. Renegaten, die es wirklich ernst meinen, lassen sich, wie
ich erfahren habe, falsches Haar wachsen. Das Verfahren ist schwierig
und kostspielig, aber das Ergebnis ist von echtem Haar kaum zu
unterscheiden. Ich hatte es selbst noch nie gesehen, sondern nur
davon gehört. Als ich die Prinzipien und die mathematischen
Grundlagen der Psychohistorik erarbeitete, habe ich über Jahre
hinweg alle achthundert Bezirke von Trantor studiert. Herausgekommen
ist dabei leider nicht allzuviel, aber einiges habe ich doch
gelernt.«
»Aber warum müssen die Renegaten denn verheimlichen,
daß sie von Mykogen stammen? Meines Wissens werden sie deshalb
doch nicht verfolgt.«
»Nein, gewiß nicht. Die Mykogenier werden nicht einmal
generell als minderwertig angesehen. Es ist noch viel schlimmer. Man
nimmt sie nämlich nicht ernst. Die Mykogenier sind intelligent
– das gesteht ihnen jeder zu – sehr gebildet, vornehm und
kultiviert sie sind wahre Meisterköche und schon fast
beängstigend tüchtig, wenn es darum geht, den Wohlstand
ihres Bezirks zu erhalten – aber niemand nimmt sie ernst. Ihre
Überzeugungen wirken auf die Menschen von außerhalb
lächerlich, komisch, unglaublich töricht. Und diesen Ruf
werden selbst die Renegaten nicht los. Sollte ein Mykogenier
versuchen, die Regierungsgewalt an sich zu bringen, er würde im
Gelächter untergehen. Gefürchtet zu werden, ist nicht
weiter schlimm. Selbst mit der Verachtung der anderen kann man leben.
Aber ausgelacht zu werden – das ist eine Katastrophe. Joranum
will Kanzler werden, deshalb braucht er Haare und muß, um sich
sicher fühlen zu können, so tun, als sei er auf einer
unbekannten, möglichst weit von Mykogen entfernten Welt
aufgewachsen.«
»Es gibt doch bestimmt auch Menschen, die von Natur aus
kahlköpfig sind?«
»Auch die wären nie so radikal enthaart, wie die Mykogen
es sich abverlangen. Auf den Außenwelten käme es nicht
weiter darauf an. Aber die Außenwelten haben von Mykogen
ohnehin kaum eine Ahnung. Die Mykogenier bleiben am liebsten unter
sich, und es ist eine Seltenheit, wenn einer der ihren Trantor
verläßt. Hier auf dem Planeten ist das anders. Auch ein
Glatzkopf trägt gewöhnlich noch einen Haarkranz, der ihn
als Nicht-Mykogenier ausweist – oder er läßt sich die
Haare im Gesicht wachsen. Die wenigen, die vollkommen unbehaart sind
– gewöhnlich infolge einer Krankheit – haben eben
Pech. Ich nehme an, sie laufen ständig mit einem ärztlichen
Attest herum, um zu beweisen, daß sie keine Mykogenier
sind.«
Mit leichtem Stirnrunzeln fragte Dors: »Hilft uns das
weiter?«
»Ich weiß nicht recht.«
»Könntest du nicht durchsickern lassen, daß er
Mykogenier ist?«
»Ich fürchte, das wäre gar nicht so einfach. Er hat
seine Spuren sicher gut verwischt, und selbst wenn…«
»Ja?«
Seldon zuckte die Achseln. »Ich möchte die Intoleranz
nicht auch noch schüren. Die sozialen Spannungen auf Trantor
sind groß genug, da will ich nicht riskieren, Emotionen
freizusetzen, die hinterher weder ich noch sonst jemand im Zaum
halten könnte. Wenn ich auf die Sache mit Mykogen
zurückgreifen muß, dann nur als letztes Mittel.«
»Also strebst auch du eine minimalistische Lösung
an?«
»Natürlich.«
»Und was wirst du nun tun?«
»Ich habe mich mit Demerzel verabredet. Vielleicht weiß
er, was man unternehmen sollte.«
Dors sah ihn scharf an. »Hari, du wirst doch nicht auch der
Illusion erliegen, daß Demerzel jedes Problem für dich
lösen kann?«
»Nein, aber dieses hier vielleicht doch.«
»Und wenn nicht?«
»Dann werde ich mir wohl etwas anderes ausdenken
müssen.«
»Was zum Beispiel?«
Seldons Gesicht verzog sich schmerzlich. »Dors, ich
weiß es nicht. Du darfst auch von mir nicht die
Lösung aller Probleme erwarten.«
11
Eto Demerzel trat selten in Erscheinung. Nur Kaiser Cleon bekam
ihn häufiger zu Gesicht. Der Kanzler hielt sich aus
verschiedenen Gründen lieber im Hintergrund, unter anderem
deshalb, weil sich sein Aussehen im Lauf der Zeit so gut wie gar
nicht veränderte.
Hari Seldon hatte ihn seit mehreren Jahren nicht mehr gesehen und
seit seiner allerersten Zeit auf Trantor nicht mehr unter vier Augen
mit ihm gesprochen.
Beunruhigt durch die jüngste Begegnung mit Laskin Joranum,
hielten es der Professor und Demerzel für ratsam,
Weitere Kostenlose Bücher