Foundation 05: Das Foundation-Projekt
unerhört
komplexen Luxuswelt Trantor die Kriminalität stark zugenommen,
und die örtlichen Sicherheitskräfte waren nirgendwo in der
Lage, sie wirksam zu bekämpfen. Ja, die Behörde hatte
überall einen Rückgang an Personal und Leistung zu
verzeichnen, außerdem war (was sich freilich schwer beweisen
ließ) die Korruption noch weiter angestiegen. Eine solche
Entwicklung war unvermeidlich, wenn die Gehälter mit den
Lebenshaltungskosten einfach nicht Schritt halten wollten. Der Staat
mußte seine Beamten ordentlich bezahlen, wenn er wollte,
daß sie ehrlich blieben, sonst würden sie andere Wege
finden, um ihre unzureichenden Einkünfte aufzubessern.
Das predigte Seldon nun schon seit einigen Jahren, aber es half
nichts. Man konnte die Gehälter nicht erhöhen, ohne auch
die Steuern zu erhöhen, und Steuererhöhungen würde die
Bevölkerung nicht tatenlos hinnehmen. Offenbar verlor man lieber
zehnmal so viele Credits in Form von Bestechungsgeldern.
Dies alles waren (so Seldons Erklärung) Aspekte des
allgemeinen gesellschaftlichen Niedergangs, den das Imperium in den
letzten zweihundert Jahren erlebte.
Wie sollte Raych nun vorgehen? Als erstes war er in dem Hotel
abgestiegen, wo auch Kaspalov in den Tagen unmittelbar vor seinem Tod
gewohnt hatte. Vielleicht fand er hier irgend jemanden, der etwas mit
dem Mord zu tun hatte – oder jemanden kannte, der damit in
Zusammenhang stand.
Doch nun hielt er es allmählich für angebracht, auf sich
aufmerksam zu machen. Wenn er Interesse für Kaspalovs Tod
erkennen ließ, würde sich sicher auch jemand für ihn interessieren und ihn aufs Korn nehmen. Das war
gefährlich, aber wenn seine Erkundigungen harmlos genug klangen,
ging man vielleicht nicht sofort zum Angriff über.
Nun denn…
Raych warf einen Blick auf sein Zeitband. In der Bar hielten sich
wahrscheinlich genügend Leute auf, die sich vor dem Dinner einen
Aperitif gönnten. Es konnte nichts schaden, wenn er sich
dazusetzte und abwartete. Vielleicht passierte ja etwas.
11
In manchen Dingen dachte man in Wye recht puritanisch. (Das galt
freilich für alle Bezirke, wobei sich die Moralvorstellungen
eines Sektors radikal von denen seines nächsten Nachbarn
unterscheiden konnten.) In Wye enthielten die Getränke keinen
Alkohol, waren aber dafür mit künstlichen
Zusatzstoffen angereichert, die anderweitig stimulierend wirkten.
Raych konnte sich mit dem ungewohnten Geschmack nicht so recht
anfreunden, aber dadurch fiel es ihm nicht schwer, ganz langsam an
seinem Glas zu nippen und sich dabei umzusehen.
Als sein Blick auf eine junge Frau fiel, die ein paar Tische
weiter saß, hatte er Mühe, sich wieder loszureißen.
Sie war sehr attraktiv und machte zudem deutlich, daß Wye nicht
in allen Dingen puritanisch dachte.
Nach einer Weile stand sie lächelnd auf und kam auf Raychs
Tisch zu. Raych sah ihr abwartend entgegen. Ein Abenteuer (so dachte
er bedauernd) konnte er sich gerade jetzt wohl kaum leisten.
Sie hatte ihn erreicht, blieb einen Moment lang stehen und
ließ sich dann graziös auf dem Stuhl neben dem seinen
nieder.
»Hallo«, sagte sie. »Du siehst nicht so aus, als
wärst du hier Stammkunde.«
Raych lächelte. »Das bin ich auch nicht. Kennst du alle
Stammkunden?«
»Mehr oder weniger.« Sie gab sich ganz unbefangen.
»Ich heiße Manella. Und du?«
Raychs Bedauern verstärkte sich. Sie war ziemlich groß,
größer als er selbst, ohne seine Spezialabsätze
– große Frauen hatten ihn schon immer gereizt –,
hatte einen milchigweißen Teint und langes, leicht gewelltes
Haar mit einem ausgeprägten Rotschimmer. Sie war nicht allzu
auffallend gekleidet und hätte mit etwas mehr Mühe als
anständige Frau aus Kreisen etwas oberhalb der Arbeiterklasse
durchgehen können.
»Mein Name tut nichts zur Sache«, sagte Raych. »Ich
bin recht knapp an Credits.«
»Wie schade.« Manella verzog das Gesicht. »Kannst
du dir nichts besorgen?«
»Würde ich gerne. Ich suche Arbeit. Wüßtest
du vielleicht etwas für mich?«
»Welche Art von Arbeit?«
Raych zuckte die Achseln. »Eine besondere Vorbildung habe ich
nicht, aber ich bin auch nicht wählerisch.«
Manella sah ihn nachdenklich an. »Ich sag’ dir was, Mr.
Namenlos. Manchmal geht es auch ohne Credits.«
Raych erstarrte. Er hatte durchaus schon Erfolg bei Frauen gehabt,
aber mit seinem Schnauzbart – seinem geliebten
Schnauzbart. Was konnte ihr an seinem jetzigen Babygesicht nur
gefallen?
»Ich sag’ dir auch was. Ein Freund von mir
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