Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
und über seine
Mitmenschen solche Strafen verhängt? Er war nichts anderes, als
der Tyrannier seiner Untergebenen.
Ihr Vater war in seinen eigenen wie auch in meinen Augen ein
Patriot. Na und? Für die Tyranni war er ein Verräter, und
deshalb haben sie ihn eliminiert. Können Sie ihnen verbieten,
sich ihrer Haut zu wehren? Auch die Hinriad waren früher recht
grausame Herren. Sie sollten sich mehr mit Geschichte befassen, mein
Junge. Jede Regierung tötet Menschen, das liegt in der Natur der
Sache.
Suchen Sie sich also ein besseres Motiv für Ihren Haß
auf die Tyranni. Es genügt nämlich nicht, eine
Herrscherkaste durch eine andere zu ersetzen, oder glauben Sie etwa,
daß Veränderung gleichbedeutend ist mit
Befreiung?«
Biron schlug sich mit der Faust gegen die Handfläche.
»Philosophische Objektivität ist etwas sehr Schönes
und für jemanden, der abseits des Geschehens steht, auch sehr
beruhigend. Aber wenn man nun Ihren Vater ermordet
hätte?«
»Hat man das denn nicht? Mein Vater war Hinriks
Vorgänger als Administrator, und er wurde getötet. O nein,
nicht auf einen Schlag, sondern ganz unmerklich. Sie haben ihn
seelisch zerbrochen, wie sie es jetzt mit Hinrik tun. Mich wollten sie nach dem Tod meines Vaters als Administrator nicht
haben; ich war ihnen ein klein wenig zu unberechenbar. Hinrik war
hochgewachsen, er sah gut aus, und vor allem war er leicht zu lenken.
Aber offenbar doch nicht leicht genug, denn sie sitzen ihm unentwegt
im Nacken, schleifen ihn zurecht, machen ihn zu einer
jämmerlichen Marionette, die sich ohne Erlaubnis nicht einmal zu
kratzen wagt, wenn es sie juckt. Sie haben ihn gesehen. Es geht von
Monat zu Monat weiter mit ihm bergab. Er ist ein bedauernswerter
Psychopath, der in ständiger Angst lebt. Aber das – all das
– ist nicht der Grund, warum ich das tyrannische Regime
zerstören möchte.«
»Nein?« fragte Biron. »Sie haben also einen
völlig neuen Grund erfunden?«
»Eher einen uralten. Die Tyranni nehmen zwanzig Milliarden
Menschen das Recht, an der Weiterentwicklung ihrer Rasse mitzuwirken.
Sie haben die Universität besucht. Man hat Ihnen beigebracht,
wie wirtschaftliche Zyklen zu verlaufen pflegen. Ein neuer Planet
wird besiedelt…« – er zählte die einzelnen Punkte
an den Fingern ab – »und hat zunächst nur die eine
Sorge, seine Bewohner zu ernähren. So wird er zu einer Welt von
Bauern und Hirten. Als nächstes reißt man die Erde auf und
sucht nach Roherz für den Export. Die landwirtschaftlichen
Überschüsse werden nach außerhalb verkauft, und
für den Erlös erwirbt man Luxusgüter und Maschinen.
Das ist der zweite Schritt. Wenn die Bevölkerung wächst und
die Fremdinvestitionen steigen, kommt es zur Industrialisierung,
Stufe Nummer drei. Die Technik schreitet voran, man importiert
Lebensmittel, exportiert Maschinen, investiert in die Entwicklung
primitiverer Welten und so weiter. Phase Vier.
Stets sind die technisch fortgeschrittensten Welten auch am
dichtesten besiedelt und militärisch stark – der Krieg ist
eine Folge der Technisierung – und gewöhnlich umgibt sie
ein Gürtel von landwirtschaftlich genutzten Welten, die von
ihnen abhängig sind.
Und wie war das bei uns? Wir hatten die dritte Stufe erreicht,
unsere Industrie war im Aufblühen begriffen. Und jetzt? Der
Prozeß wurde gestoppt, eingefroren, zum Erliegen gebracht, denn
er hätte sich störend auf Tyranns Kontrolle über
unsere Industrie ausgewirkt. Von Tyranns Seite handelt es sich um
eine kurzfristige Investition, denn irgendwann werden wir verarmen
und damit unrentabel werden. Doch bis dahin schöpfen
›sie‹ den Rahm ab.
Außerdem könnten wir im Zuge der Industrialisierung
neue Waffen bauen. Deshalb bremst man jede Weiterentwicklung, indem
man Wissenschaft und Forschung verbietet. Und mit der Zeit
gewöhnen sich die Menschen so sehr daran, daß sie gar
nicht mehr bemerken, was ihnen fehlt. Nur deshalb sind Sie
überrascht, wenn ich Ihnen sage, daß mir die Todesstrafe
droht, weil ich etwas wie das Visisonor gebaut habe.
Natürlich werden wir die Tyranni eines Tages zum Teufel
jagen. Das ist so gut wie unvermeidlich. Sie können nicht ewig
an der Macht bleiben. Niemand kann das. Irgendwann verweichlicht jede
Rasse und wird träge. Es kommt zu Mischehen, viele der
ureigensten Traditionen gehen verloren. Korruption greift Platz. Aber
das kann Jahrhunderte dauern, denn die Geschichte hat es nicht eilig.
Und wenn es endlich soweit ist, werden wir alle immer noch
Agrarwelten
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