Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
so plötzlich gekommen war. Sie hatte nicht
einmal gewagt, dem Schultheiß davon zu erzählen. Am
nächsten Mußetag hatte sie fünf Credits von ihrer
Aussteuerrücklage abgehoben – da es ohnehin nie einen Mann
geben würde, der sich für ihr Heiratsgut interessierte, kam
es weiter nicht darauf an – und war mit Rik in die Stadt zu
einem Arzt gefahren. Obwohl sie Namen und Adresse auf einem
Stück Papier bei sich trug, hatte sie zwei grauenvolle Stunden
lang gebraucht, um zwischen den mächtigen Pfeilern, auf denen
die Obere Stadt im Licht der Sonne ruhte, das richtige Gebäude
zu finden.
Sie hatte darauf bestanden, bei der Untersuchung zugegen sein zu
dürfen. Der Arzt hatte mit sonderbaren Instrumenten alle
möglichen, furchteinflößenden Dinge angestellt. Als
er Riks Kopf zwischen zwei Metallplatten steckte und ihn aufleuchten
ließ wie einen Kyrtkäfer in der Nacht, war sie
aufgesprungen und ihm in den Arm gefallen. Daraufhin hatte er zwei
Männer gerufen, und die hatten sie hinausgeschleppt, so heftig
sie sich auch dagegen wehrte.
Eine halbe Stunde später war der Arzt, ein großer,
ernster Mann, zu ihr gekommen. Das Herz klopfte ihr bis zum Hals,
denn er war ein ›Herr‹, auch wenn seine Praxis in der
Unteren Stadt lag. Aber er hatte freundliche, ja, gütige Augen.
Er trocknete sich die Hände an einem kleinen Handtuch ab und
warf es, obwohl es ihrer Meinung nach vollkommen sauber war, in einen
Abfallbehälter.
»Wo hast du diesen Mann kennengelernt?« fragte er.
Sie hatte sich sehr zurückgehalten und ihm nur das
Nötigste erzählt. Den Schultheiß und die Gendarmen
hatte sie mit keinem Wort erwähnt.
»Dann weißt du nichts über ihn?«
Sie schüttelte den Kopf. »Nichts, was vorher
war.«
»Der Mann wurde mit einer Psychosonde behandelt«, sagte
er. »Weißt du, was das ist?«
Zuerst hatte sie wieder den Kopf geschüttelt, um dann, kaum
hörbar, zu flüstern: »Macht man das nicht mit
Verrückten, Doktor?«
»Und mit Verbrechern. Um ihnen zu helfen, indem man ihr
Bewußtsein verändert. Die Psychosonde macht sie geistig
gesund, das heißt, sie wirkt auf die Teile ihres Gehirns, die
sie zum Stehlen oder zum Töten drängen. Verstehst du
das?«
Sie verstand. Sie wurde knallrot im Gesicht und sagte: »Rik
hat nie etwas gestohlen, und er hat nie jemandem weh getan.«
»Du nennst ihn Rik?« fragte er belustigt. »Aber
hör mal, woher willst du wissen, was er getan hat, bevor du ihn
kennengelernt hast? Aus seiner jetzigen Verfassung ist kaum noch
etwas abzulesen. Es war eine gründliche, um nicht zu sagen
brutale Sondierung. Wieviel von seinen Erinnerungen unwiderruflich
gelöscht wurde und was er nur vorübergehend durch den
Schock verloren hat, kann ich nicht sagen. Ein Teil davon wird mit
der Zeit wiederkommen, so, wie er wieder sprechen gelernt hat, aber
nicht alles. Man sollte ihn unter Beobachtung stellen.«
»Nein, nein. Er muß bei mir bleiben. Bei mir ist er in
guten Händen, Doktor.«
Er legte die Stirn in Falten, dann wurde seine Stimme sanft.
»Kind, ich denke dabei nur an dich. Vielleicht hat man nicht
alles Schlechte aus seinem Gehirn getilgt. Du willst doch sicher
nicht, daß er dir eines Tages etwas antut.«
In diesem Augenblick war eine Pflegerin mit Rik ins Zimmer
gekommen. Sie redete leise, mit beruhigender Stimme auf ihn ein wie
auf ein kleines Kind. Rik hielt sich den Kopf und starrte ins Leere.
Erst als er Valona erkannte, fand sein Blick ein Ziel, er streckte
ihr die Hände entgegen und jammerte: »Lona…«
Sie stürzte auf ihn zu, zog seinen Kopf an ihre Schulter und
hielt ihn ganz fest. »Er würde mir nie etwas antun«,
erklärte sie dem Arzt. »Ganz gleich, was
geschieht.«
Der Arzt war nachdenklich geworden. »Ich werde den Fall
natürlich melden müssen. Er muß in einem
erbarmungswürdigen Zustand gewesen sein. Ich kann mir nicht
vorstellen, wie es ihm gelungen ist, den Behörden zu
entwischen.«
»Heißt das, daß man ihn mir wegnehmen wird,
Doktor?«
»Ich fürchte, ja.«
»Bitte, Doktor, tun Sie das nicht.« Sie zerrte an dem
Taschentuch, in das sie die fünf blanken Creditmünzen
geknüpft hatte. »Sie können sie alle behalten,
Doktor«, sagte sie. »Ich werde gut auf ihn aufpassen. Er
wird niemandem etwas zuleide tun.«
Der Arzt betrachtete die Münzen in seiner Hand. »Du bist
Fabrikarbeiterin?«
Sie nickte.
»Wieviel bezahlt man dir in der Woche?«
»Zwei komma acht Credit.«
Er warf die Münzen in die Luft, fing sie mit beiden
Händen auf und
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