Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
aber jede
direkte Kritik. Statt dessen befahl er knapp: »Lieutenant, aus
der Innenstadt werden Unruhen gemeldet. Sie begeben sich mit einem
Dekontaminierungstrupp ins Kaufhaus Dunham und kümmern sich
darum. Sorgen Sie dafür, daß Ihre Männer ausreichend
vor Ansteckung mit Strahlenfieber geschützt sind.«
»Strahlenfieber!« rief der Lieutenant. »Verzeihen
Sie, Colonel, aber…«
»Abmarsch in fünfzehn Minuten«, gab der Colonel
ungerührt zurück.
Arvardan sah den kleinen Mann als erster und zuckte zusammen, als
der ihnen lässig zuwinkte. »He, Chef. Tag, Großer.
Sagen Sie dem kleinen Fräulein hier, sie kann den Wasserhahn
ruhig wieder zudrehen.«
Pola hob den Kopf, hielt den Atem an und schmiegte sich
unwillkürlich schutzsuchend an Arvardans hünenhafte
Gestalt. Der Archäologe legte ebenso selbstverständlich und
ohne daran zu denken, daß er damit zum zweiten Mal eine
Erdenfrau berührte, den Arm um sie.
»Was wollen Sie?« fragte er scharf.
Der kleine Mann mit den stechenden Augen trat zögernd hinter
einem Ladentisch hervor, auf dem sich die Pakete türmten. Bei
aller Unterwürfigkeit entbehrte sein Verhalten nicht einer
gewissen Impertinenz.
»Da draußen ist der Teufel los«, sagte er,
»aber keine Angst, Miss. Ich kann Ihnen den Mann sicher ins
Institut zurückbringen.«
»Was für ein Institut?« fragte Pola
ängstlich.
»Jetzt aber mal halblang«, sagte der kleine Mann.
»Ich bin Natter, und mein Obststand steht gleich gegenüber
vom Institut für Kernforschung. Ich hab Sie x-mal dort
gesehen.«
»Sagen Sie«, schaltete Arvardan sich unvermittelt ein.
»Was geht hier eigentlich vor?«
Der kleine Natter wollte sich ausschütten vor Lachen.
»Die glauben alle, der Bursche hier hätte das
Strahlenfieber…«
»Strahlenfieber?« riefen Pola und Arvardan wie aus einem
Munde.
Natter nickte. »Ganz recht. Er hat mit zwei Taxifahrern
gegessen, die haben das Gerücht in die Welt gesetzt. Und so was
spricht sich schnell rum.«
»Die Wachmänner an der Tür«, vergewisserte
sich Pola, »suchen also nur nach jemandem, der am Fieber
erkrankt ist?«
»Ganz recht.«
»Und warum fürchten Sie das Fieber nicht?« wollte
Arvardan plötzlich wissen. »Wenn ich recht verstehe, haben
die Behörden das Kaufhaus aus Angst vor Ansteckung räumen
lassen.«
»Klar doch. Die Obrigkeit steht draußen und traut sich
selbst nicht rein. Sie wartet lieber auf den Dekontaminierungstrupp
der Außenweltler.«
»Aber Sie haben keine Angst vor dem Fieber?«
»Wieso denn auch? Dem Kerl hier fehlt doch nichts. Seh’n
Sie ihn sich doch an. Wo sind die wunden Mundwinkel? Sein Gesicht ist
nicht gerötet. Die Augen sind vollkommen klar. Ich weiß
doch, wie ein Fieberkranker aussieht. Kommen Sie, Miss, wir
marschieren jetzt einfach hier raus.«
Doch Pola zitterte schon wieder. »Nein, nein. Das geht nicht.
Er ist… er ist…« Sie konnte nicht weitersprechen.
Natter begann honigsüß: »Ich wüßte schon, wie ich ihn rausbringe. Keine Fragen.
Keine Kennkarte…«
Pola schrie auf vor Schreck, und wieder griff Arvardan ein.
»Sind Sie denn ein so wichtiger Mann?« fragte er mit
unüberhörbarer Verachtung.
Mit heiserem Auflachen klappte Natter seinen Jackenaufschlag hoch.
»Kurier der Gesellschaft der Ahnen. Mich belästigt keiner
mit irgendwelchen Fragen.«
»Und was springt für Sie dabei heraus?«
»Geld! Sie sitzen in der Klemme, und ich kann Ihnen helfen.
Ist doch eine saubere Sache. Ihnen ist es, sagen wir, hundert Credit
wert, und mir ist es auch hundert Credit wert. Fünfzig sofort,
und fünfzig bei Lieferung.«
Doch Pola flüsterte entsetzt: »Sie würden ihn nur
zu den Ahnen schaffen.«
»Wozu? Die können nichts mit ihm anfangen, und mir
bringt er hundert Credit. Wenn Sie warten, bis die Außenweltler
kommen, werden sie ihn wahrscheinlich erst töten, um dann
festzustellen, daß er das Fieber gar nicht hat. Sie wissen
doch, wie die Außenweltler sind – ein toter Erdenmensch
mehr stört sie nicht weiter. Ist ihnen sogar ganz
recht.«
»Sie nehmen auch die junge Dame mit«, verlangte
Arvardan.
In Natters stechende Äuglein trat ein berechnendes Funkeln.
»O nein, Chef, kommt nicht in Frage. Ich gehe nur kalkulierte
Risiken ein, wie Sie’s nennen. Mit einem komm ich durch, mit
zweien vielleicht nicht mehr. Und wenn ich nur einen mitnehmen kann,
dann such ich mir den aus, der am meisten wert ist. Ist doch logisch,
oder?«
»Und wenn ich Sie nun hochhebe und Ihnen die Beine einzeln
ausreiße?«
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