Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
Steinklotz
überragte die dahinterliegende Kaiserliche Kaserne, und sein
Schatten lastete weitaus schwerer auf jedem terrestrischen
Übeltäter als die ohnehin nicht ausgeübte
Autorität des Imperiums.
In diesen Mauern hatte in früheren Jahrhunderten so mancher
Erdenmensch, der bei der Produktion betrogen, das Plansoll nicht
erfüllt oder über die Sechzig hinausgelebt hatte, der einem
anderen bei einem dieser Verbrechen behilflich gewesen war oder gar
den Versuch unternommen hatte, die örtliche Regierung zu
stürzen, seines Urteils geharrt. Hin und wieder, wenn die
kleinliche Pedanterie der irdischen Justiz der ebenso hochgebildeten
wie hochmütigen Kaiserlichen Regierung noch
unverständlicher erschien als sonst, kam es vor, daß der
Statthalter eine Entscheidung aufhob, doch damit löste er
jedesmal einen Aufstand oder zumindest heftige Krawalle aus.
Normalerweise gab der Statthalter also nach, wenn der Rat ein
Todesurteil forderte. Es ging schließlich nur um einen
Erdenmenschen…
Von alledem hatte Joseph Schwartz natürlich keine Ahnung. Er
sah lediglich einen kleinen Raum, dessen Wände ein mattes Licht
ausstrahlten. Die Einrichtung beschränkte sich auf zwei weitere,
harte Bänke, einen Tisch und eine kleine Wandnische mit
Waschgelegenheit und Toilette. Kein Fenster gewährte Ausblick
auf den Himmel, und durch den Ventilationsschacht kam nur ein kaum
spürbarer Luftstrom.
Schwartz rieb sich den Haarkranz, der seine Glatze umgab, und
setzte sich seufzend auf. Sein Fluchtversuch ins Nirgendwo (wo
wäre er auf dieser Erde schon sicher gewesen?) war nur kurz und
nicht sehr erfreulich gewesen. Hier hatte er nun sein Ende
gefunden.
Wenigstens konnte er sich mit seinem Geistesfinger
beschäftigen.
War diese merkwürdige Gabe nun ein Fluch oder ein Segen?
Auf der Farm hatte sie ihn beunruhigt, denn er hatte nichts damit
anzufangen gewußt und nicht geahnt, welche Möglichkeiten
sie ihm bot. Nun hatte er ihre Vielseitigkeit kennengelernt und nahm
sich vor, sie genauer zu erkunden.
Jemand, der vierundzwanzig Stunden lang nichts zu tun hatte, als
über seine Gefangenschaft nachzugrübeln, mochte leicht dem
Wahnsinn verfallen. Doch Schwartz konnte den Geist der
Gefängniswärter berühren, wenn sie an seiner Tür
vorübergingen, oder nach den Soldaten in den Nachbarkorridoren
tasten, und wenn er den Finger ganz weit ausstreckte, reichte er
sogar bis ins ferne Dienstzimmer des Anstaltsleiters.
Jedes neue Bewußtsein befühlte er zunächst
vorsichtig von allen Seiten, dann drang er ins Innere vor. Alle
ließen sie sich öffnen wie eine Walnuß – und
aus den harten Schalen rieselte ein wahrer Strom von Gefühlen
und Gedanken.
Dabei erfuhr Schwartz eine ganze Menge über die Erde und das
Imperium – mehr, als in den ganzen zwei Monaten auf der
Farm.
Und eine Information wiederholte sich natürlich immer und
immer wieder, so oft, daß jeder Irrtum ausgeschlossen war:
Er war dem Tod geweiht!
Es gab kein Entrinnen, keinen Zweifel, keine
Einschränkungen.
Vielleicht heute, vielleicht auch erst morgen. Sterben mußte
er auf jeden Fall!
Irgendwie ergriff die Vorstellung von ihm Besitz, und er fand sich
fast dankbar damit ab.
Dennoch sprang er erschrocken auf, als die Tür geöffnet
wurde. Die Vernunft, ja, das ganze Bewußtsein mochte sich in
den Tod schicken, doch der Körper war und blieb ein primitives
Tier, auf das die Vernunft keinen Einfluß hatte. Jetzt war es
also soweit!
Nein – noch nicht. Der Geist des Neuankömmlings enthielt
keine mörderische Absicht. Der Mann war Soldat, und er hielt
einen Metallstab in der Hand. Schwartz kannte diese Art von Stab.
»Mitkommen!« befahl der Soldat.
Schwartz gehorchte, wußte er sich doch im Besitz
außergewöhnlicher Fähigkeiten. Er war imstande, den
Mann geräuschlos niederzustrecken, im Bruchteil einer Sekunde,
lange, bevor der seine Waffe gebrauchen, ja, überhaupt eine
Gefahr wittern konnte. Schwartz hielt bildlich gesprochen sein Gehirn
in beiden Händen. Ein leiser Druck, und alles wäre
vorüber.
Aber wozu? Es würden doch nur andere kommen. Wie viele konnte
er auf einmal bewältigen? Wie viele Paar Hände hatte sein
Bewußtsein?
Also trottete er lammfromm hinterher.
Der Raum, in den man ihn brachte, war riesengroß. Zwei
Männer und eine Frau lagen wie tot auf schrecklich hohen
Bänken. Aber sie waren nicht tot – Schwartz spürte
ganz deutlich von drei Seiten Signale eines aktiven
Bewußtseins.
Gelähmt! Bekannt? – Waren sie ihm
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