Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
soviel wie einen Ausflug in die Freiheit.
Gewiß, solche Ausflüge dauerten nicht lange, und sie konnten auch nicht lange dauern, denn hier in Chica mußte man die ganze Zeit Bleianzüge tragen, sogar im Bett, und was noch schlimmer war, man mußte ständig Metabolin einnehmen.
Im Gespräch mit Shekt ließ er seiner Verbitterung darüber freien Lauf.
»Metabolin«, sagte er und hielt die zinnoberrote Pille in die Höhe, »symbolisiert vielleicht am besten, was Ihr Planet für mich bedeutet, mein Freund. Das Mittel hat die Aufgabe, sämtliche Stoffwechselvorgänge anzuregen, solange ich hier in einer radioaktiven Wolke sitze, von der Sie nicht das geringste merken.«
Er schluckte die Tablette. »So! Jetzt wird mein Herz schneller schlagen; mein Atem wird mit sich selbst um die Wette rennen; und meine Leber wird heißlaufen, um all die chemischen Prozesse abzuspulen, die sie, wenn man den Medizinern glauben darf, zur wichtigsten Fabrik des Körpers machen. Und hinterher muß ich mit Müdigkeit und quälenden Kopfschmerzen dafür büßen.«
Dr. Shekt, ein großer schlanker Mann in mittleren Jahren, der stets leicht gebückt ging, hörte belustigt zu. Er wirkte stark kurzsichtig, nicht, weil er eine Brille getragen oder irgendwelche Beschwerden gehabt hätte, sondern weil er seit langem gewohnt war, mit unbewußt starrem Blick alles genauestens zu betrachten und sämtliche Fakten sorgsam abzuwägen, bevor er sich äußerte.
Aber er hatte viel über die Galaktische Kultur gelesen und war halbwegs frei von jenem blinden Mißtrauen, jener Feindseligkeit gegen alles und jedes, die selbst ein kosmopolitisch denkender Imperialer wie Ennius an den durchschnittlichen Erdenmenschen so abstoßend fand.
»Ich bin überzeugt davon, daß Sie die Tablette gar nicht brauchen«, sagte er jetzt. »Metabolin ist nichts als ein imperialer Aberglaube, und dessen sind Sie sich auch durchaus bewußt. Wenn ich es Ihnen ohne Ihr Wissen gegen Zuckerdragees austauschen würde, wären Sie kein bißchen schlechter dran. Ja, Sie würden sich hinterher sogar in die gleichen psychosomatisch bedingten Kopfschmerzen hineinsteigern.«
»Sie haben gut reden, schließlich sind Sie an die hiesigen Lebensbedingungen angepaßt. Oder wollen Sie bestreiten, daß Ihr Grundumsatz höher ist als der meine?«
»Natürlich nicht, aber was macht das schon aus? Ich weiß, Ennius, das Imperium redet sich ein, hier auf der Erde lebten andere Menschen als anderswo, aber in den wirklich wichtigen Dingen sind wir eigentlich alle gleich. Oder sind Sie als Missionar der Antiterrestrierpartei zu mir gekommen?«
Ennius stöhnte auf. »Beim Leben des Kaisers, die besten Missionare für diese Partei sind Ihre eigenen Landsleute. Zusammengepfercht auf ihrem Todesplaneten, langsam aufgefressen von ihrem eigenen Haß, sind sie nichts anderes als ein chronisches Magengeschwür der Galaxis.
Ich scherze nicht, Shekt. Auf welchem anderen Planeten ist der Alltag mit so vielen Ritualen durchsetzt, an denen man mit geradezu masochistischer Radikalität festhält? Kein Tag vergeht, ohne daß eine Abordnung von irgendeiner Stelle Ihrer Regierung bei mir antanzt und verlangt, ich müsse über irgendeinen armen Teufel, der nichts Schlimmeres verbrochen hat, als eine verbotene Zone zu betreten, sich vor den Sechzig zu drücken oder vielleicht auch nur mehr zu essen, als ihm zustand, die Todesstrafe verhängen.«
»Aha. Und Sie geben dem Ansinnen jedesmal statt. Ihr Idealismus empört sich offenbar nicht so stark, daß Sie sich weigern würden.«
»Ich bemühe mich stets nach Kräften, eine Hinrichtung abzuwenden, die Sterne sind mein Zeuge. Aber was kann ich denn schon machen? Der Kaiser verbietet uns strikt, uns in irgendeiner Weise in die Sitten und Gebräuche einzelner imperialer Bevölkerungsgruppen einzumischen – eine weise und richtige Haltung, denn damit wird den Narren, die sonst jeden zweiten Dienstag und Donnerstag einen Aufstand anzetteln würden, die Unterstützung der breiten Masse entzogen. Und falls ich tatsächlich einmal hart bliebe, wenn Ihre Ratsversammlungen, Senate und Kammern die Todesstrafe fordern, so würde sich ein solches Geschrei erheben, ein so wütender Protest gegen das Imperium, daß ich lieber zwanzig Jahre inmitten einer Legion von Teufeln schlafen würde, als auch nur zehn Minuten länger auf dieser Erde zu bleiben.«
Shekt seufzte und fuhr sich mit der Hand durch das schüttere Haar. »Für den Rest der Galaxis ist die Erde, falls man sie
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