Foundation 06: Die Grösse des Imperiums
die Idee, daß Wahnsinn womöglich nicht die einzige Erklärung war. Könnte er irgendwie durch die Zeit gereist sein? Zum Beispiel im Schlaf?
Mühsam krächzte er: »Wann ist das passiert, Grew? Wie lange ist es her, daß es nur einen einzigen Planeten gab?«
»Was soll das heißen?« Der andere war plötzlich vorsichtig geworden. »Gehörst du etwa zu den Ahnen?«
»Zu wem? Ich gehöre zu niemandem, aber die Erde war doch einmal der einzige Planet? – Nun sag schon, war sie es oder nicht?«
»Die Ahnen behaupten es«, räumte Grew grimmig ein, »aber wer weiß? Wer kann es mit Sicherheit sagen? Soweit mir bekannt ist, existieren die Welten da oben seit Anbeginn der Geschichte.«
»Und wann hat die Geschichte begonnen?«
»Vor vielen Tausenden von Jahren, denke ich. Fünfzigtausend, vielleicht hunderttausend – ich kann’s dir nicht sagen.«
Viele Tausende von Jahren! Schwartz spürte ein Würgen in der Kehle und schluckte verzweifelt. Und das alles von einem Schritt zum nächsten? Ein Atemzug, ein Augenblick, ein Lidschlag der Zeit – und er hatte Jahrtausende übersprungen? Amnesie erschien ihm plötzlich als einzige Rettung. Er hatte das Sonnensystem wohl nur mit Hilfe von Erinnerungsfragmenten identifiziert, die den Nebel durchdrungen hatten.
Doch Grew machte seinen nächsten Zug – er schlug nach f5, und Schwartz registrierte fast mechanisch, daß es die falsche Entscheidung war. Nun griff eins ins andere, ohne daß er es bewußt geplant hätte. Sein Turm schoß nach vorne und schlug den vorderen Doppelbauern auf f5. Der weiße Springer rückte abermals auf f3 vor. Schwartz’ Läufer zog von c8 nach b7 und hatte damit freie Bahn. Grew zog seinerseits den Läufer von d nach d2.
Vor dem tödlichen Schlag hielt Schwartz noch einmal inne. »Die Erde ist aber doch der Chef?« sagte er.
»Der Chef wovon?«
»Der Chef des Imp…«
Grew brüllte auf, daß die Schachfiguren erzitterten. »Hör zu, du, allmählich reicht es mir mit deiner Fragerei. Hast du denn von gar nichts eine Ahnung? Sieht die Erde so aus, als ob sie der Chef von irgend etwas wäre?« Mit leisem Surren fuhr Grews Rollstuhl um den Tisch herum. Schwartz spürte die Finger des Alten auf seinem Arm.
»Da! Da schau hin!« flüsterte Grew heiser. »Siehst du den Horizont? Siehst du das Leuchten?«
»Ja.«
»Das ist die Erde – so ist es überall. Nur hier und dort gibt es vereinzelte Flecken wie hier bei uns.«
»Ich verstehe nicht.«
»Die Erdkruste ist radioaktiv. Der Boden strahlt, er hat immer gestrahlt und wird immer strahlen. Nichts kann darauf wachsen. Niemand kann darauf leben. – Hast du das wirklich nicht gewußt? Warum, glaubst du, gibt es die Sechzig?«
Der Gelähmte beruhigte sich und fuhr wieder auf seine Tischseite zurück. »Du bist am Zug.«
Die Sechzig! Wieder ein Geistesfinger, eine unerklärliche Atmosphäre der Bedrohung. Schwartz’ Figuren beendeten das Spiel im Alleingang, während er mit schwerem Herzen darüber nachgrübelte. Sein Bauer auf e5 schlug den gegnerischen Bauern auf f4. Grew fuhr mit seinem Springer nach d4, und Schwartz’ Turm wich von f5 nach g5 aus. Grews Springer zog nach f3 und bedrohte damit erneut Schwartz’ Turm. Der wich diesmal nach g4 aus. Jetzt rückte Grew den Bauern schüchtern von h2 auf h3 vor, und schon fegte Schwartz’ Turm heran, schlug den Bauern auf g2 und bot dem feindlichen König Schach. Grews König schlug zwar prompt den Turm, doch Schwartz’ Dame sprang sofort in die Bresche, fuhr von e7 nach g5 und bot ihrerseits Schach. Grews König flüchtete nach h1, und Schwartz fuhr seinen Springer von d7 nach e5. Grew ließ kurz entschlossen die Reservetruppen aufmarschieren und bewegte seine Dame d1 nach e2, und Schwartz konterte, indem er seine Dame um zwei Felder nach g3 vorrücken ließ und damit den Nahkampf eröffnete. Grew hatte keine Wahl: er zog seine Dame auf g2, so daß sich die beiden weiblichen Majestäten nun Auge in Auge gegenüberstanden. Schwartz’ Springer drängte weiter und schlug den gegnerischen Springer auf f3. Jetzt war der weiße Läufer bedroht und suchte sich nach c3 zu retten. Im Gegenzug fuhr der Springer nach d4. Nach minutenlangem Zögern schob Grew seine in die Zange geratene Dame über die lange Diagonale und schlug Schwartz’ Läufer.
Danach hielt er inne und atmete erleichtert auf. Der Turm seines gerissenen Gegners war bedroht, ein Schach stand in Aussicht, und seine Dame konnte in den gegnerischen Reihen jederzeit ein Blutbad
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