Foundation 07: Die Rettung des Imperiums
bestimmt.«
»Nur die Söhne?« fragte Dors.
Einen Augenblick lang wirkte Mycelium Zweiundsiebzig schockiert. Dann meinte er nachsichtig: »Nun, Sie sind Stammesleute. Die Töchter der Morgenröte betreten es nur an bestimmten Tagen zu bestimmten Zeiten. So ist das eben. Damit sage ich nicht, daß ich das billige. Wenn es an mir läge, würde ich sagen, ›Geht nur hinein. Habt euren Spaß daran, wenn ihr es könnt‹. Lieber andere als ich.«
»Gehen Sie denn nie hinein?«
»Als ich jung war, haben meine Eltern mich mitgenommen, aber…« – er schüttelte den Kopf – »da waren nur Leute, die das Buch anstarrten und Stellen aus ihm vorlasen und dann immer wieder so den alten Tagen nachweinten. Es ist recht deprimierend. Man darf nicht miteinander sprechen, man darf nicht lachen, man darf sich nicht einmal ansehen. Man muß sein ganzes Denken völlig auf die Verlorene Welt konzentrieren. Völlig.« Er machte eine abwehrende Handbewegung. »Das ist nichts für mich. Ich bin Gelehrter und möchte, daß mir die ganze Welt offensteht.«
»Gut«, sagte Seldon, der einen Ansatzpunkt verspürte. »So empfinden wir auch. Wir sind ebenfalls Gelehrte, Dors und ich.«
»Ich weiß«, sagte Mycelium Zweiundsiebzig.
»Sie wissen? Wie kommt das?«
»Das mußten Sie doch sein. Die einzigen Stammesleute, die Mykogen zuläßt, sind kaiserliche Beamte und Diplomaten, wichtige Händler und Gelehrte – und für mich sehen Sie beide wie Gelehrte aus. Das war es ja, was mein Interesse an Ihnen geweckt hat. Beides Gelehrte.« Er lächelte entzückt.
»Das sind wir. Ich bin Mathematiker. Dors ist Historikerin. Und Sie?«
»Ich habe mich auf… Kultur… spezialisiert. Ich habe sämtliche großen literarischen Werke der Stammesleute gelesen: Lissauer, Mentone, Novigor…«
»Und wir haben die großen Werke Ihres Volkes gelesen. Ich habe beispielsweise das Buch gelesen – über die Verlorene Welt.«
Mycelium Zweiundsiebzigs Augen weiteten sich überrascht. Sein olivfarbener Teint schien heller zu werden. »Was haben Sie? Wie? Wo?«
»An unserer Universität gibt es Kopien, die wir lesen können, wenn wir die Erlaubnis dafür bekommen.«
»Kopien vom Buch?«
»Ja.«
»Ich möchte wissen, ob die Ältesten das wissen.«
»Und über Roboter habe ich auch gelesen«, fuhr Seldon fort.
»Roboter?«
»Ja, deshalb würde ich ja gerne das Sakratorium besuchen. Ich würde gerne den Roboter sehen.« (Dors versetzte Seldon einen leichten Tritt gegen das Schienbein, aber er ignorierte sie.)
»Ich glaube nicht an solche Dinge«, sagte Mycelium Zweiundsiebzig etwas unsicher. »Das tun Gelehrte nicht.« Aber dabei sah er sich um, als hätte er Angst, jemand könnte ihn hören.
»Ich habe gelesen, daß es im Sakratorium einen Roboter gibt«, sagte Seldon.
»Ich mag nicht über solchen Unsinn reden«, meinte Mycelium Zweiundsiebzig.
Seldon ließ nicht locker. »Wenn er sich wirklich im Sakratorium befände, wo wäre er dann?«
»Das könnte ich Ihnen selbst dann nicht sagen, wenn es einen gäbe. Ich bin seit meiner Kindheit nicht mehr drin gewesen.«
»Würden Sie wissen, ob es einen besonderen Ort gibt, ein Versteck vielleicht?«
»Nun, es gibt den Horst der Ältesten. Nur die Ältesten besteigen ihn, aber dort ist nichts.«
»Sind Sie je dort gewesen?«
»Nein, natürlich nicht.«
»Woher wissen Sie das dann?«
»Ich weiß nicht, daß es dort keinen Pommeranzenbaum gibt. Ich weiß nicht, daß es dort keine Laserorgel gibt. Ich weiß nicht, daß es dort eine Million verschiedener Dinge gibt. Wenn ich nicht weiß, daß es so etwas nicht gibt – heißt das, daß diese Dinge dort alle vorhanden sind?«
Darauf hatte Seldon keine Antwort.
Jetzt brach das Gespenst eines Lächelns durch Mycelium Zweiundsiebzigs besorgte Miene, und er meinte: »So argumentieren Gelehrte. Mit mir hat man es schwer, wissen Sie. Trotzdem würde ich Ihnen davon abraten, den Horst der Ältesten zu besteigen. Ich glaube, wenn die drin einen Stammesmann fänden, dann würde etwas passieren, das Ihnen nicht gefallen dürfte. Nun denn. Ich wünsche eine schöne Dämmerung.« Und damit stand er plötzlich auf und eilte davon.
Seldon sah ihm recht überrascht nach. »Was hat er es denn plötzlich so eilig?«
»Nun«, vermutete Dors, »wahrscheinlich, weil jemand kommt.«
Und so war es. Ein hochgewachsener Mann in einem eleganten weißen Kittel, zu dem er eine noch eleganter glitzernde rote Schärpe trug, kam mit gemessenen Schritten auf sie zu. Er hatte
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