Foundation 07: Die Rettung des Imperiums
Mahlzeit, bis Seldon meinte: »Ich stelle fest, daß jeder Bruder, der das Sakratorium betritt oder es verläßt, eine rote Schärpe trägt.«
»Oh, ja«, sagte Mycelium Zweiundsiebzig. »Man trägt sie über die linke Schulter zur rechten Hüfte – gewöhnlich mit aufwendigen Stickereien.«
»Und was bedeutet das?«
»Man nennt das einen Obiah. Er symbolisiert die Freude, die man beim Betreten des Sakratoriums empfindet, das Blut, das man vergießen würde, um es zu schützen.«
»Blut?« fragte Dors mit gerunzelter Stirn.
»Nur symbolisch. Ich habe noch nie gehört, daß jemand wegen des Sakratoriums Blut vergossen hätte. Was das betrifft, herrscht auch nicht so viel Freude. Tatsächlich hört man dort Klagen und Jammern und sieht Leute sich zu Boden werfen, um die Verlorene Welt zu betrauern.« Seine Stimme wurde leiser und ganz weich. »Sehr albern.«
»Dann sind Sie kein… kein Gläubiger?« sagte Dors.
»Ich bin Gelehrter«, sagte Mycelium mit unverkennbarem Stolz. Sein Gesicht zeigte beim Lächeln noch mehr Runzeln, und er wirkte dadurch noch älter. Seldon überlegte, wie alt der Mann wohl sein mochte. Zweihundert Jahre? – Nein, damit hatten sie ja Schluß gemacht, das konnte nicht sein. Und doch…
»Wie alt sind Sie?« fragte Seldon plötzlich und unwillkürlich.
Mycelium Zweiundsiebzig ließ keinerlei Anzeichen erkennen, daß die Frage ihn etwa geärgert hätte, noch zögerte er mit der Antwort. »Siebenundsechzig.«
Seldon mußte es jetzt einfach wissen. »Man hat mir gesagt, bei Ihnen glaube man, in der Vergangenheit hätte jeder ein paar Jahrhunderte lang gelebt.«
Mycelium Zweiundsiebzig sah Seldon erstaunt an. »Wie haben Sie denn das erfahren? Da muß jemand aus der Schule geplaudert haben. Aber es stimmt. Diesen Glauben gibt es tatsächlich. Im wesentlichen glauben nur ungebildete Leute daran, aber die Ältesten unterstützen das, weil es unsere Überlegenheit zeigt. Tatsächlich ist unsere Lebenserwartung höher als andernorts, weil wir nahrhafter essen, aber es kommt nur ganz selten vor, daß jemand auch nur ein Jahrhundert lang lebt.«
»Sie sind offenbar nicht der Meinung, daß Mykogenier überlegen sind«, sagte Seldon.
»Den Mykogeniern fehlt gar nichts«, erwiderte Mycelium Zweiundsiebzig. »Und unterlegen sind sie ganz sicher nicht. Aber ich bin der Meinung, daß alle Menschen gleich sind – selbst Frauen«, fügte er hinzu und sah zu Dors hinüber.
»Ich denke nicht«, wandte Seldon ein, »daß viele ihrer Leute dem zustimmen würden.«
»Und ebenso wenige von ihren Leuten«, meinte Mycelium Zweiundsiebzig ein wenig bedrückt. »Aber ich glaube daran. Ein Gelehrter muß das. Ich habe die ganze große Literatur der Stammesleute gesichtet und sogar gelesen. Ich verstehe Ihre Kultur. Ich habe Artikel darüber geschrieben. Ich fühle mich hier in Ihrer Gesellschaft ebenso wohl, als wenn Sie… äh… wir wären.«
Daraufhin schaltete sich Dors ein wenig scharf in das Gespräch ein. »Was Sie sagen, klingt so, als wären Sie stolz darauf, die Stammesleute zu verstehen. Haben Sie je Reisen außerhalb von Mykogen unternommen?«
Mycelium Zweiundsiebzig schien etwas von ihnen abzurücken. »Nein.«
»Warum nicht? Da würden Sie uns besser kennenlernen.«
»Ich würde mich nicht wohl fühlen. Ich würde eine Perücke tragen müssen. Ich würde mich schämen.«
»Warum eine Perücke?« wollte Dors wissen. »Sie könnten kahl bleiben.«
»Nein«, sagte Mycelium Zweiundsiebzig, »so unvernünftig wäre ich ganz sicher nicht. Dann würden mich alle Haarigen schlecht behandeln.«
»Schlecht behandeln? Warum?« fragte Dors. »Überall auf Trantor gibt es eine ganze Menge von Natur aus kahler Leute und auf allen anderen Welten auch.«
»Mein Vater ist völlig kahl«, meinte Seldon seufzend, »und in den nächsten Jahrzehnten werde ich das ganz bestimmt auch sein. Mein Haar ist schon jetzt nicht mehr besonders dicht.«
»Das ist nicht kahl«, sagte Mycelium Zweiundsiebzig. »Sie behalten das Haar an den Rändern und über Ihren Augen. Ich meine kahl – überhaupt kein Haar.«
»Am ganzen Körper?« fragte Dors interessiert.
Mycelium Zweiundsiebzig schien beleidigt und sagte nichts.
Seldon, der bemüht war, das Gespräch wieder in Gang zu bringen, fragte: »Sagen Sie, Mycelium Zweiundsiebzig, dürfen Stammesleute das Sakratorium betreten, um es zu besichtigen?«
Mycelium Zweiundsiebzig schüttelte heftig den Kopf. »Niemals! Es ist nur für die Söhne der Morgenröte
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