Foundation 08: Foundation
klaffenden Lücken in unserer Geheimhaltung blieben unbemerkt, weil Seldon auf seine Weise von dem ›anderen Ende‹ gesprochen hatte und die Menschen es auf ihre Weise auslegten.«
Der Erste Sprecher hatte längst aufgehört, zu dem Studenten zu reden. Im Grunde machte er diese Ausführungen für sich selbst, wie er da vor dem Fenster stand und zu dem unglaublichen Flammen des Firmaments hinsah, zu der gewaltigen Galaxis, die jetzt für immer sicher war.
»Hari Seldon nannte Trantor ›Star’s End‹«, flüsterte er, »und dieses bißchen poetische Phantasie sei ihm doch erlaubt. Das ganze Universum wurde einmal von diesem Felsen aus gelenkt, alle Fäden, an denen die Sterne hingen, führten hier zusammen. ›Alle Wege führen nach Trantor‹, lautet ein altes Sprichwort, ›und das ist der Ort, wo alle Sterne enden.‹«
Zehn Monate früher hatte der Erste Sprecher auf die gleichen dichtgedrängten Sterne hinausgeblickt – nirgends stehen sie so dicht wie im Zentrum dieses riesigen Materiehaufens, den der Mensch die Galaxis nennt – und war voller düsterer Befürchtungen gewesen. Jetzt lag ernste Befriedigung auf dem runden und rötlichen Gesicht Preem Palvers, des Ersten Sprechers.
Michael F. Flynn
Einführung in die Psychohistorik
»Wir müssen darauf vorbereitet sein, daß wir von der Zukunft überrascht werden, aber wir brauchen nicht verblüfft und sprachlos zu sein.«
Kenneth Boulding
Erster Teil
DIE MATHEMATIK DER GESCHICHTE
Hat der Große Westafrikanische Krieg schon begonnen? Wie viele Rassenkrawalle werden die USA während des Ausbruchs im Jahr 2010 erleben? Wie viele Orbitalfabriken werden in der Rezession von 2033 bankrott gehen? Ist der bevorstehende Zerfall Indiens in einzelne Staatsgebilde eine Folge der topologischen Gegebenheiten des Subkontinents? Welcher Zusammenhang besteht zwischen der geographischen Lage Babylons oder der Verwaltung des antiken Ägypten mit dem Erfolg von L5-Kolonien?
Vor Jahren stellte sich Isaac Asimov eine mathematische Geschichtswissenschaft vor, die auf solche Fragen die Antworten liefern könnte. Und heute ist seine fiktive Psychohistorik im Begriff, Realität zu werden. Noch ist es nicht so weit. Bis jetzt ist kein Hari Seldon aufgetreten, der die Verbindung zwischen den einzelnen Disziplinen herstellen würde; aber Forscher in so unterschiedlichen Bereichen wie Ökologie und Differential-Topologie haben bereits die Grundlagen dazu entwickelt.
»Aber die Kurven, wenn sie überhaupt etwas bedeuteten, schlossen doch den freien Willen ein… jeden Morgen strömten drei Millionen Besitzer ›Freien Willens‹ in das Zentrum der Megapolis New York; jeden Abend flossen sie wieder nach draußen – alle aus ›freiem Willen‹ und auf einer glatten vorhersehbaren Kurve.«
Robert A. Heinlein,
The Year of the Jackpot
Die Psychohistorik stellt einen Versuch dar, die Kräfte, die die menschliche Geschichte antreiben, zu begreifen und sie in brauchbaren mathematischen Begriffen auszudrücken. Kurz gesagt also einen Versuch, die Analyse an die Stelle der Anekdote zu stellen. Um es genauer zu sagen, wir wollen Gesetze formulieren bezüglich:
1. der internen Struktur verschiedener Gesellschaften;
2. ihrer geographischen Beziehungen, und
3. ihrer Dynamik über Zeiträume hinweg. *
Diese schlichte Behauptung reicht aus, um Schreie der Empörung auszulösen: Die Wissenschaft sei entmenschlichend. Wir brauchen weniger Wissenschaft, nicht etwa mehr. Eine Gesetzmäßigkeit der Geschichte ist unmöglich, weil die Menschen über freien Willen verfügen! Außerdem sind die menschlichen Gemeinwesen zu komplex, als daß man sie wissenschaftlicher Analyse unterwerfen könnte!
Aber sind diese Einwände stichhaltig? Als Wissenschaft bezeichnet man die Entdeckung materieller Ursachen für meßbare Phänomene. Als solche ist sie eher entmystifizierend als entmenschlichend. Wenn es materielle Ursachen für Zustände wie Krieg und Armut gibt, dann kann man diese Ursachen nur dadurch beseitigen, indem man sie in Angriff nimmt, nicht aber indem man sie mit guten Gedanken ›wegwünscht‹. Jedenfalls leidet das Studium der Kultur im Augenblick, wie der Anthropologe Marvin Harris bemerkt, nicht gerade an einer Überdosis wissenschaftlicher Methodik.
Was den freien Willen angeht: Freiheit ist das Gegenteil von Zwang, nicht etwa von Kausalität. Eine freie Wahl ist keine unvernünftige Wahl. Das heißt, sie hat Gründe – oder Ursachen –,
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