Foundation 08: Foundation
Fortpflanzung findet usw. Wir nennen das die Nische der jeweiligen Spezies. Eine breite Nische (z. B. Bären) erfordert viele Ressourcen; eine schmale Nische (z. B. Eichhörnchen) erfordert weniger. *
In ähnlicher Weise wird eine gesellschaftliche Klasse durch bestimmte Berufe, Kleidungsstil, Wohnung und Umgebung charakterisiert; derartige Klassen pflegen auch innerhalb der eigenen Klasse zu heiraten. In Kastengesellschaften wie dem hinduistischen Indien, dem viktorianischen England oder dem späten römischen Reich wurden die Eheschließung, den Wohnort, den Aufwand und die Berufsausübung betreffende Regeln explizit festgeschrieben; implizit sind sie in allen menschlichen Gemeinschaften vorhanden. Die ökologische Analogie läßt sich sogar auf Beziehungen wie die zwischen Raubtier und Opfer ausdehnen, wenn wir an die Stelle eines ›Preisgewebes‹ für Tauschwerte ein ›Nahrungsgewebe‹ für Kalorien setzen. (Ob die jeweilige Gesellschaft sich bestimmter Symbole aus Metall bedient, um den Tausch zu registrieren, ist dabei ohne Belang.) So betrachtet sind Friseure die Räuber und Menschen mit Haar ihre natürliche Beute. *
Das fundamentale Gesetz der animalischen Ökologie besagt, daß die Nische die Zahlen bestimmt. Die Nischengröße relativ zur Ressourcenbasis bestimmt die Größe der Population, nicht etwa die Bemühung um Fortpflanzung. Auf diese Weise wird die Zahl von Anwälten (um ein Beispiel zu gebrauchen) von der Größe der Anwaltsnische bestimmt, nicht etwa durch die Fortpflanzungsbemühungen der juristischen Fakultäten. Dieselbe Ressourcenbasis wird mehr schmale Nischen als breite tragen; und dies ist der Grund, warum es mehr Eichhörnchen als Bären gibt und weshalb Ladenangestellte gegenüber Rechtsanwälten in der Überzahl sind. *
Zwischen biologischen und kulturellen Spezies gibt es ein wesentliches Unterscheidungsmerkmal. Die kulturelle Spezies ist nur sehr undeutlich abgegrenzt. Überschüssige Eichhörnchen müssen sterben, wohingegen überschüssige Rechtsanwälte die Nische wechseln und einen anständigen Job finden können. Die Fähigkeit, die Nische zu wechseln (und durch Technik zusätzlichen Nischenraum zu schaffen), macht es aus, daß Menschen eine Geschichte haben – und Eichhörnchen nicht.
So betrachtet ist eine Gemeinschaft ein Mosaik undeutlich voneinander abgegrenzter Spezies, wovon jede einzelne ihren eigenen Lebensstil und ihre eigenen Ressourcenbedürfnisse hat. Und demzufolge hat auch jede einzelne ihre eigene, ihr gemäße Wachstumsrate. Nur in diesem Zusammenhang macht der Begriff vom Fortpflanzungsdruck einen Sinn. Der Druck wird unabhängig von jeder Klasse/Spezies empfunden, nicht von der Gesellschaft als Ganzes.
Jede Klasse/Spezies versucht den Fortpflanzungserfolg dadurch zu maximieren, daß sie die größtmögliche Zahl von Kindern großzieht. Wenn man zu wenige oder zu viele Nachkommen hat, riskiert man, seine Gene zu verlieren. Die Familiengröße (in Wirklichkeit eine statistische Verteilung von Familiengrößen) ist eine Funktion der Differenz zwischen den biopsychischen Ressourcen, die von den Eltern benötigt werden, um ihren Lebensstil zu bewahren, und der biopsychischen Investition, derer es bedarf, um in derselben Nische Kinder aufzuziehen:
N ~ (R-P)/C
Hier sind N die durchschnittliche Kinderzahl, R die erwarteten verfügbaren Ressourcen; P der Ressourcenbedarf der Eltern, und C der Kostenaufwand, der benötigt wird, um ein Kind großzuziehen.
So tendieren arme Familien dazu, größer zu sein als wohlhabende Familien; und ländliche Familien dazu, größer zu sein als städtische. Dies ist der Grund, weshalb die Geburtenrate in den USA in dem Maße zurückging, wie das Land stärker verstädterte. Der Aufwand, ein Kind in einer schmalen Nische großzuziehen, ist viel geringer als in einer breiten. Niemand erwartet, nach Harvard zu gehen! Außerdem fangen Kinder in schmalen Nischen in viel jüngeren Jahren damit an, einen Beitrag zu den Familienressourcen zu leisten: indem sie auf der Farm gewisse einfache Handreichungen übernehmen, indem sie auf den Straßen betteln, oder indem sie (zumindest vor den Gesetzen bezüglich Kinderarbeit) in Bergwerken oder Fabriken arbeiten. Im Gegensatz dazu sind Kinder in breiten Nischen teuer und zahlen die Investitionen ihrer Eltern selten, wenn überhaupt, zurück. In vielen sogenannten ›Yuppie‹-Nischen sind Kinder relativ zum Lebensstil ihrer Eltern so teuer, daß diese sich ganz und gar gegen das
Weitere Kostenlose Bücher