Foundation 08: Foundation
gesamten Küstenstrecke + Fluß zu der gesamten Landfläche. Wenn alle anderen Faktoren gleich sind (was nie der Fall ist), sollten Regionen mit hoher spezifischer Küstenlinie, wie Westeuropa und die Mittelmeerregion, höhere Raten der kulturellen Entwicklung erfahren, sobald sie eine hinreichende Bevölkerungsdichte erreicht haben. (Eine kritische Masse wird benötigt, um eine Kettenreaktion von Ideen in Gang zu halten.) *
Der größte Teil der Kommunikation besteht darin, daß Leute sich gegenseitig vertraute Meme wiederholen und sie Kindern und Neuzugezogenen lehren. Auf diese Weise pflanzt eine Gesellschaft ihr ›Kulturmuster‹ fort. Manchmal werden alte Meme auf neuartige Weise miteinander verknüpft. Man nennt das ›Originalität‹. Zu ganz seltenen Gelegenheiten taucht ein wirklich neues Mem auf: entweder eine spontane Mutation oder ein fremdartiges Mem aus einer anderen Gesellschaft. Wenn das geschieht, widersetzt die Gesellschaft sich dem in der Regel erbittert. Der Management-Berater Joseph Juran hat hinsichtlich des kopernikanischen Mems geschrieben, daß es »einfacher war, die Astronomen zu verbrennen, als die neue Idee anzunehmen«.
Was bestimmt nun, ob ein Mem vom ›Immunsystem‹ der Gesellschaft akzeptiert oder abgestoßen wird? Das bringt uns zu der Psycho-Komponente der Psychohistorik.
»Warum sollten wir pflanzen, wo es auf der Welt doch so viele Mongongo-Nüsse gibt?«
Kalahari-Buschmann
gegenüber einem westlichen Anthropologen
Individuen lernen empirisch, indem sie einmal gemachte Fehler nicht mehr begehen, aber in gesellschaftlichen Gruppen lernen wir auch, indem wir das erfolgreiche Verhalten anderer beobachten und nachahmen. Affen sehen, Affen tun. (Dies mag Teil unserer soziobiologischen Hüllkurve sein.) Je erfolgreichen uns das Verhalten erscheint, desto größer ist die Wahrscheinlichkeit, daß wir es imitieren.
Jedes Verhalten hat seinen Preis: die Zeit und die Energie, derer es bedarf, um es auszuüben. Jedes Verhalten provoziert auch Reaktionen des physischen und sozialen Umfelds, welche das Verhalten verstärken. Der Ackerbau beispielsweise produziert Nahrungsmittel, was den Vorgang der Ackerbaus positiv verstärkt. Die Schwerkraft verstärkt den Vorgang des Springens von hohen Gebäuden hingegen negativ. Die Wahrscheinlichkeit der Imitation eines Verhaltens ist direkt proportional zu der Spanne zwischen Aufwand und Verstärkung (Abb. 16). Mehr Leute werden also Ackerbau imitieren als solche, die von Gebäuden springen. *
Abbildung 16: Die Menschen waren viele Jahrtausende länger Jäger, als wir Ackerbauer sind. Das Diagramm zeigt den Grund dafür. Die Säulenhöhe zeigt den Nutzen in biopsychologischen Vorteilen; der schraffierte Teil die Anstrengung, deren es bedarf, um diesen Vorteil zu erlangen und die weiße Partie den biopsychologischen ›Profit‹. Die Jagd liefert mit relativ wenig Mühe ausreichende Kalorien. Der Ackerbau liefert mehr Kalorien, aber der Aufwand ist ebenfalls viel größer, so daß die ›Profitrate‹ weniger attraktiv ist.
Derartige Verstärkung tritt in mannigfacher Form auf, einige Verstärker sind natürlich, also Teil unseres soziologischen Grundmusters, unserer Bauweise sozusagen. Andere Verstärker, wie beispielsweise Geld, sind anerzogen.
Wir lernen es, diese Verstärker zu wünschen. Harris hat eine Minimalliste von drei natürlichen Verstärkern vorgeschlagen, nämlich:
1. Menschen müssen essen und werden sich im allgemeinen für eine Ernährung entscheiden, die eher mehr als weniger Nährstoffe liefert.
2. Der menschliche Sexualtrieb ist hochentwickelt, und die Menschen finden in heterosexuellem Verkehr verstärktes Vergnügen.
3. Die Menschen brauchen Liebe und Zuneigung und werden, bei sonst gleichen Umständen, darauf hinwirken, die Liebe und Zuneigung zu vergrößern, die andere ihnen erweisen.
Harris nennt dies ›biopsychologische Nutzen‹. Darüber hinaus schlägt er noch einen vierten Nutzen vor, der sich auf den Preis des Verhaltens auswirkt.
4. Gesetz der geringsten Mühe: Die Menschen können nicht völlig untätig sein, ziehen es aber vor, wenn man sie mit einer bestimmten Aufgabe betraut, diese eher durch Einsatz von weniger als durch Einsatz von mehr Energie auszuführen.
Harris meint, kulturelle Institutionen resultieren daraus, daß die Menschen versuchen, diese Bedürfnisse zu erfüllen. Zwar mögen auch andere Bedürfnisse als Verstärker wirken, im wesentlichen aber hängen sie doch von
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