Foundation Trilogie 1 - Der Tausend-Jahres-Plan
Verisof sandte dem Bürgermeister einen schrägen Blick zu. »Es gibt andere Möglichkeiten als eine Wahl, die Kontrolle zu gewinnen.«
»Halten Sie mich für Wienis?«
»Nein. Aber es wird Monate dauern, das Schiff zu reparieren, und danach wird Wienis uns angreifen. Unser Nachgeben wird er als ein Zeichen verächtlicher Schwäche werten, und wenn er dann noch den kaiserlichen Kreuzer bekommt, hat er die Schlagkraft seiner Marine ungefähr verdoppelt. Der Angriff ist ebenso sicher, wie ich Hoherpriester bin. Warum das Risiko eingehen? Sie haben zwei Möglichkeiten. Entweder informieren Sie den Stadtrat über den Feldzugsplan, oder Sie kämpfen die Sache mit Anakreon auf der Stelle aus!«
Hardin runzelte die Stirn. »Auf der Stelle? Bevor die Krise eintritt? Das ist genau das, was ich nicht tun darf. Sie wissen doch - Hari Seldon und sein Großer Plan.«
Verisof zögerte, dann murmelte er: »Sie sind sich also absolut sicher, daß es einen Großen Plan gibt?«
»Es läßt sich kaum dran zweifeln«, lautete die steife Antwort. »Ich war bei der Öffnung des Zeitgewölbes anwesend, und damals weihte Seldons Aufzeichnung uns darin ein.«
»Das habe ich nicht gemeint, Hardin. Ich verstehe nur nicht, wie es möglich sein kann, die geschichtliche Entwicklung für tausend Jahre im voraus zu planen. Vielleicht hat Seldon sich überschätzt.« Er schrumpfte unter Hardins ironischem Lächeln ein bißchen zusammen und setzte hinzu: »Na ja, ich bin kein Psychologe.«
»Genau. Das ist keiner von uns. Aber ich habe in meiner Jugend so etwas wie eine Grundausbildung bekommen - genug, um zu wissen, wozu die Psychologie fähig ist, auch wenn ich selbst ihre Möglichkeiten nicht ausschöpfen kann. Es gibt keinen Zweifel daran, daß Seldon genau das getan hat, was er behauptet. Die Foundation wurde als ein Zufluchtsort für Wissenschaftler gegründet - als das Mittel, mit dem Wissenschaft und Kultur des sterbenden Reiches durch die Jahrhunderte der Barbarei, die inzwischen begonnen haben, erhalten und am Ende in einem Zweiten Reich zu neuem Leben entfacht werden sollen.«
Verisof nickte. Er war ein bißchen nachdenklich geworden. »Jeder weiß, so soll es sich entwickeln. Doch können wir es uns leisten, ein Risiko einzugehen? Können wir die Gegenwart einer nebelhaften Zukunft willen aufs Spiel setzen?«
»Das müssen wir - weil die Zukunft nicht nebelhaft ist. Sie ist von Seldon berechnet und geplant worden.
Jede der aufeinander folgenden Krisen unserer Geschichte ist verzeichnet, und jede hängt in gewissem Maß von der erfolgreichen Lösung der vorhergehenden ab. Dies ist erst die zweite Krise, und Raum weiß, welche Wirkung schon eine winzige Abweichung am Ende haben würde.«
»Das ist eine ziemlich leere Spekulation.«
»Nein! Hari Seldon sagte im Zeitgewölbe, bei jeder Krise werde unsere Handlungsfreiheit so weit eingeschränkt, daß uns nur noch ein einziger Weg offenstehe.«
»Um uns auf dem engen, geraden Pfad zu halten?«
»Um uns vor einer Abweichung zu bewahren, ja. Aber umgekehrt gilt, solange uns mehr als ein Weg offensteht, ist die Krise noch nicht erreicht. Wir müssen die Dinge so lange treiben lassen, wie es uns möglich ist, und, beim Raum, genau das ist meine Absicht!«
Verisof antwortete nicht. Er kaute in mürrischem Schweigen auf der Unterlippe. Vor einem Jahr hatte Hardin das Problem schon einmal mit ihm diskutiert das echte Problem, das Problem, Maßnahmen gegen Anakreons Kriegsvorbereitungen zu treffen -, aber nur, weil er, Verisof, sich gegen eine weitere Beschwichtigungspolitik gesträubt hatte.
Es war, als lese Hardin die Gedanken des Botschafters. »Mir wäre es weitaus lieber gewesen, ich hätte Ihnen nie etwas davon erzählen müssen.«
»Warum denn das?!« rief Verisof überrascht.
»Weil es jetzt sechs Personen gibt - Sie und ich, die anderen drei Botschafter und Yohan Lee -, die eine ziemlich genaue Vorstellung davon haben, was die Zukunft bringt. Und ich, verdammt noch mal, fürchte, nach Seldons Plan hätte niemand es wissen dürfen.«
»Warum nicht?«
»Weil sogar Seldons fortgeschrittene Psychologie ihre Grenzen hatte. Allzu vielen unabhängigen Variablen war sie nicht gewachsen. Individuen konnte er über einen längeren Zeitablauf hinweg nicht in seine Gleichungen einbeziehen, ebensowenig, wie man die kinetische Theorie der Gase auf einzelne Moleküle anwenden könnte. Er arbeitete mit Massen, mit den Bevölkerungen ganzer Planeten, und zwar ausschließlich mit blinden
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