Fränkisch Schafkopf
mir ist aufgefallen, dass er am unteren Unterarm, an beiden, auffällig wenige Haare hat. Wesentlich weniger als weiter oben.«
»Du meinst also �«
»Wie gesagt, es hat vielleicht nichts zu bedeuten, aber denkbar ist, dass man ihn mit Klebeband an den Handgelenken gefesselt und ihm dann, nachdem man ihm die Pistole in die Hand gedrückt hatte, das Klebeband wieder abgerissen hat. Das wäre zumindest eine Möglichkeit.«
»Und vorher hat man ihn betäubt?«
»Nicht unbedingt. Vielleicht stand er sowieso unter Schock, sodass das nicht nötig war. Aber derjenige oder diejenigen wollten halt auf Nummer sicher gehen. Noch mal, Paula, eventuell gibt es dafür auch eine andere Erklärung, eine ganz harmlose.«
Da holte sie nach, was sie vorhin so sorgsam vermieden hatte â sie reichte ihm die Hand und drückte sie lang und fest.
»Frieder, du weiÃt gar nicht, was für einen Riesengefallen du mir mit alldem getan hast. Du hast dir die Mühe gemacht, bist hierhergefahren, wahrscheinlich noch in deiner Freizeit, hast mit dem Arzt gesprochen, hast dir Heinrich angesehen und, und, und. Ich bin dir dafür unendlich dankbar. Für alles.«
»Das brauchst du nicht, also mir dankbar sein, in keinster Weise. SchlieÃlich ist Heinrich auch mein Kollege. Insofern ist das doch eine Selbstverständlichkeit.«
Dann nickte er ihr noch einmal zu, drehte sich um und eilte Richtung Hauptausgang.
Paula sah ihm versonnen nach. Sie blieb noch eine Weile stehen und bedachte dabei jeden, der an ihr vorbeilief, mit einem freundlichen Lächeln. SchlieÃlich setzte auch sie sich wieder in Bewegung. Dabei spiegelte ihre Miene jene wohlverdiente Zufriedenheit wider, die sich bei ihr immer dann einstellte, wenn sie â und nicht die anderen â recht behalten hatte.
3
Ihr Besuch an Heinrichs Krankenbett war kurz. Sie erzählte ihm von den beruflichen Ereignissen des Tages, wobei sie die Verdächtigungen ihm gegenüber natürlich ausklammerte. Dafür mehr Wert und viel Zeit auf die Schilderung von Trommens Blamage legte. Sie wusste, das würde ihm gefallen, mehr noch als ihr selbst. Währenddessen tätschelte sie immer wieder seine linke Hand. Am Schluss wiederholte sie ihre Bitte von gestern Abend, gut auf sich aufzupassen.
»Wir brauchen dich doch. Du fehlst uns sehr, vor allem mir. Aber das weiÃt du ja eh.«
Dann löste sie ihre Hand von seiner und sah ihn prüfend an. Nein, sie konnte keine Reaktion, keine noch so winzige Bewegung an ihm erkennen. Dennoch war sie darüber nicht beunruhigt. Er schien tief und fest zu schlafen. Sie vertraute den Apparaten um ihn herum. Die würden sicher sofort Alarm auslösen, sollte sich sein Zustand verschlechtern.
Sie war bereits auf dem Weg nach drauÃen, da kehrte sie noch einmal um. Griff nach seinem linken Arm und schob den Ãrmel des weiÃen Nachthemds zurück. Tatsächlich, keine Haare auf dem Handgelenk, wie nach einer kosmetischen Epilation. Das gleiche Bild bei dem rechten Gelenk. Vorsichtig legte sie beide Hände wieder auf die dünne Bettdecke und verlieà das Zimmer.
Als sie vor dem schmucklosen Bau stand, zündete sie sich eine Zigarette an. Vor ihrem inneren Auge stiegen einzelne Bildfetzen empor â Heinrich, wie auf ihn eingeschlagen wird, Heinrich gefesselt und geknebelt, der um sein Leben bettelt, Heinrich, der hilflos mitanschauen muss, wie dieser Jakobsohn erschossen wird ⦠Hässliche Szenarien voller Dramatik und Gewalt. Sie versuchte, diese grausamen Bilder beiseitezuschieben, nicht mehr daran zu denken. Es gelang ihr nicht. Der Film lief weiter und weiter.
Dann endlich riss dieser Film. Ein neuer tauchte auf. Das totenstille Krankenzimmer mit dem regungslosen Kollegen. War Heinrich dort wirklich gut aufgehoben? Würden ihn die Geräte vor allem Ãbel beschützen, wovon sie noch vor wenigen Minuten überzeugt war? Was, wenn man ihn nicht mehr ins Leben zurückholen könnte? Oder wenn ihm etwas bleiben würde und er nicht mehr derselbe wäre wie vorher?
Sie musste Klarheit haben. Jetzt. Sofort. Auf der Stelle. Sie wählte Frieders Nummer im Institut.
»Frieder, bist du dir ganz sicher, dass die im Krankenhaus Heinrichs Zustand wirklich unter Kontrolle haben? Ich bin es nämlich nicht.«
»Ja, Paula«, antwortete er mit sanfter Stimme, »da bin ich mir ganz sicher. Diese Sedierung kann
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