Fränkisch Schafkopf
weiÃes Hemd, das frisch gebügelt wirkte. Ein massiver, in den Hüften etwas dicklicher Mann, kein Bierbauch. Blaue Augen, schmales Gesicht, dünne Lippen, fahler Teint. Heinrich hatte seine üblichen schwarzen Jeans an, darüber ein schwarzes langärmeliges T-Shirt. Er wirkte im Vergleich zu dem stattlichen Jakobsohn noch schmaler und verletzlicher als ohnehin.
Paula holte ihren Fadenzähler aus der Schreibtischschublade und besah sich seine Handgelenke auf den Fotos. Sie war sich nicht ganz sicher, aber ihr schien, als seien diese auf dem schmalen Streifen, den das T-Shirt frei lieÃ, glatt und ohne Haaransatz.
Lange sah sie auf die Fotos, die vor ihr lagen, dann wählte sie fünf davon aus und heftete sie sorgfältig an die leere Pinnwand, die hinter ihrem Schreibtisch hing. Eine Arbeitstechnik, die sie fast nie anwendete, die ihr aber heute als unvermeidlich erschien. Nur so hatte sie â und auch die ihr gegenübersitzende Eva Brunner â Heinrich immer bei sich. Sie musste sich nur umdrehen, dann konnte sie ihn sehen. Es war fast so, als würde er ihr zur Seite stehen. Oder zumindest über die Schultern blicken.
Während Eva Brunner telefonierte, machte sie sich über die restlichen Unterlagen her. Der Mord war von einer anonymen Anruferin gemeldet worden, die offenbar in der Nachbarschaft Jakobsohns wohnte. Sie gab an, »so etwas wie Schüsse« gehört zu haben.
Dann las sie die Namenslisten mit den an diesem Fall beteiligten Schutzpolizisten und Rettungssanitätern durch. Namen, die ihr nichts sagten. Was ungewöhnlich war, denn in der Mehrzahl der Fälle traf sie bei ihren Ermittlungen immer wieder auf Kollegen, die sie bereits von früher kannte.
Sie griff sich die Akte des ursprünglichen Ermittlungsführers und überflog dessen kurzen Bericht. Schon auf der ersten Seite fiel ihr dessen bürokratisch erfrorene Sprache auf, deren Gefühllosigkeit und Formelhaftigkeit: »â¦Â wurde Bartels, H. (ein uns persönlich bekannter Mitarbeiter des Polizeipräsidiums Mittelfranken, Dienstrang: Oberkommissar) sitzend vorgefunden, die Tatwaffe rechtshändig greifend â¦Â«. Darunter stand in einem Nebensatz »der dringend der Tat verdächtige Bartels, H. zeigte sich beim Eintreffen der Polizei jedoch nicht vernehmungsbereit bzw. nicht vernehmungswillig«. Nicht vernehmungswillig? Sie blätterte rasch um und fand bestätigt, was sie befürchtet hatte: Unterschrieben hatte den Bericht ein gewisser Winkler, Manfred. Trommens willfährigster Mitarbeiter. Und auch der mit dem gröÃten Blamagepotenzial.
Mit zusammengekniffenen Augen starrte sie ihre Mitarbeiterin an, die nur auf diesen Moment der Aufmerksamkeit gewartet zu haben schien.
»Also, die Schwester dieses Jakobsohn hab ich gefunden«, fing sie an. »Es ist eine gewisse Monika Harrer, Mädchenname Jakobsohn. Geboren in Nürnberg am â¦Â«
Der Rest ihrer Recherche ging in der geistigen Abwesenheit ihrer Chefin unter. So antwortete Paula nur gedankenverloren »Schön, schön«, griff sich die zwei Namenslisten samt Winklers Bericht und verlieà ohne ein weiteres Wort das Zimmer.
Vor Trommens Büro atmete sie einmal tief durch, klopfte und trat zeitgleich ein. »So, Jörg, jetzt ist die Zeit zum Vernetzen gekommen. Mit dir und deinem Winkler. Und zwar nicht nur ein Stück weit.« Dann nahm sie unaufgefordert vor seinem Schreibtisch Platz.
Trommen sah sie mit einem herablassenden Lächeln an. »Ich und meine Leute helfen dir natürlich gern. Sehr gern, Paula. Das weiÃt du ja. Wenn es die Zeit erlaubt. Nur fürchte ich, im Augenblick erlaubt es unsere Zeit so gar nicht.«
»Dafür habe ich Verständnis. Viel Verständnis, Jörg. Dann reiche ich die Dienstaufsichtsbeschwerde«, sie tippte auf das Aktenbündel, das sie noch immer vor ihrer Brust umklammert hielt, »halt gleich ein. Meine Zeit erlaubt es nämlich auch nicht, damit noch länger zu warten.« Sie schenkte ihm ein kurzes Lächeln und erhob sich.
»Beschwerde?«, fragte Trommen. »Aber doch wohl nicht über mich?«
»Nein«, antwortete sie, die die Tür schon mit Schwung geöffnet hatte, »über dich nicht. Aber über deinen Winkler.«
»Halt, wart doch mal. Was hast denn gegen ihn in der Hand?«
»Er hat in einem besonders schweren Fall gegen die Dienstvorschriften
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