Fränkisch Schafkopf
weiteres Versäumnis von ihr: Sie hatte die Nachbarn Jakobsohns vergessen. Auch das nicht weiter schlimm, damit würde sie, gleich im Anschluss an Weberknechts Befragung, Frau Brunner beauftragen.
Doch diesmal hatten sie in der RoritzerstraÃe kein Glück. Niemand reagierte auf ihr Klingeln. Die Tür blieb verschlossen.
Als sie wieder zum Wagen gingen, hatte der Feierabendverkehr bereits eingesetzt. Es war jetzt viel los auf den StraÃen. Sie entschied, Frau Brunner zur Umfeldbefragung in der SpenglerstraÃe abzuliefern und von da aus Richtung Budapester Platz zu fahren.
Bevor sie ihre Mitarbeiterin in Gostenhof absetzte, fragte sie sie noch: »Meinen Sie wirklich, Sie schaffen das allein? Oder möchten Sie doch jemanden von Trommens Leuten zur Unterstützung?«
Eine Frage, die Eva Brunner entschieden ablehnte. Nein, nein, das wolle sie auf keinen Fall. »Bis ich da die Ergebnisse alle beieinanderhabe ⦠Und auswerten muss ich sie sowieso allein. Das wäre doch doppelte Arbeit. Mir wäre es so lieber, Frau Steiner.«
Jetzt hatte es Paula eilig. Am Plärrer schaltete sie das Blaulicht an und schaffte es so in nicht einmal einer halben Stunde zu Heinrich. Als sie die Treppe in den dritten Stock emporstieg, hörte sie von oben die vertraute Frage mit der knarzenden Stimme: »Hallo, wer ist da?«, die sie lauthals mit »Ich, Paula Steiner, die Kollegin von Heinrich, Frau Bartels, ich komme jetzt rauf« beantwortete.
Doch trotz dieser erschöpfenden Auskunft stand Heinrichs GroÃmutter nicht, wie sie erwartet hatte, vor ihrer Wohnungstür. Die nämlich war zu. Als sie klopfte, ertönte wieder das heisere Knarzen mit demselben Wortlaut: »Hallo, wer ist da?«
»Ich, Paula Steiner, ich bin es.«
Sie hörte, wie eine Sperre entriegelt wurde, dann sah sie durch einen schmalen Schlitz in das argwöhnische rechte Auge der alten Frau.
»Tatsächlich, Sie sind es, Frau Steiner.«
Schnell öffnete sich die Tür, sie trat ein, und schwupp, wurde die Tür wieder fest zugezogen und der Sperrbügel verriegelt.
»Sie müssen schon entschuldigen, Frau Steiner«, sagte Anna Bartels. »Aber mir kommt hier die nächste Zeit keiner mehr in die Wohnung, den ich nicht kenne. Ich bin jetzt vorsichtig geworden.«
»Warum? Ist was passiert?«
»Ja. Als Heinrich heute Vormittag auÃer Haus war, habe ich Besuch bekommen. Von einem Mann, der behauptete, Heinrichs Kollege zu sein. Aber Heinrich kennt den gar nicht.«
»Was wollte dieser Mann von Heinrich?«
»Ihn besuchen. Ich habe ihm gesagt, mein Enkel ist nicht da. Er solle doch warten, Heinrich müsse jeden Augenblick wiederkommen. Das wollte dieser Mensch aber nicht. Ihm pressiertâs, sagte er. Das wär doch ausgemacht gewesen, dass er kommt und die Unterlagen heute abholt. Richtig pampig ist der geworden.«
»Und weiter, Frau Bartels? Erzählen Sie.«
»Er hat drauf bestanden, in Heinrichs Zimmer zu gehen und sich die Unterlagen selbst zu holen. Aber da bin ich dann schon hellhörig geworden. Heinrich hat mir nämlich immer wieder eingeschärft, bei Fremden ganz wachsam zu sein. Ich hab ihn nicht in sein Zimmer gelassen. Ich habe ihn dann mehr oder weniger rausgeschmissen.«
»Das haben Sie sehr gut gemacht. Sehr gut. Wo ist denn Ihr Enkel jetzt?«
»In seinem Zimmer. Ich hab ihn eingesperrt. Nur zu seinem Besten natürlich. Wenn wieder jemand kommt und zu ihm will, muss er erst mal an mir vorbei. Und das wird nicht leicht. Hier, schauen Sie.« Stolz deutete sie auf die kleine Kommode neben der Wohnungstür, auf der ein Nudelholz, ein geriffeltes Brotmesser, eine Sofortbildkamera und ein schwerer dreiarmiger Leuchter aus Alpakasilber lagen.
»Ich bin bewaffnet. Und zu allem entschlossen. Soll er nur noch mal kommen, der Haderlump.«
8
Sie gab sich Mühe, das Lachen, das ihr den Hals hinaufkroch, zu unterdrücken. So wurde nur ein kleines schiefes Lächeln daraus, das Heinrichs GroÃmutter allerdings missdeutete, nämlich als wortlose Anerkennung für ihre Entschluss- und Tatkraft.
»Gell, das hätten Sie mir nicht zugetraut, Frau Steiner? Ich bin zwar nicht besonders groà und auch nicht sehr kräftig, aber meinen Enkel lasse ich mir nicht auch noch nehmen. Er ist der einzige Verwandte, den ich noch habe.«
»Was sagt denn Heinrich dazu, dass er jetzt sozusagen unter Quarantäne
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