Fränkisch Schafkopf
an ihrem Mitarbeiter eine eigenartige Mischung wahr aus Scham, Trotz und einer gewissen Selbstbezichtigung. Er haderte wegen dieser Sache mit sich, auch wenn er das nicht zugeben wollte. Dennoch konnte sie sich eine Anmerkung dazu nicht verkneifen.
»Ich denke, die Not der Frauen auszunutzen, die sich in aller Regel nicht eben freiwillig für diese Arbeit entschieden haben, steht niemandem zu. Weder Jakobsohn noch dir.« Sie hatte ihren Vorwurf kaum hörbar vorgebracht. Wenn sie wollte, dass man ihr genau zuhörte, sprach sie immer derart leise. Damit war das Thema für sie erledigt.
Nicht jedoch für Heinrich. »Kannst du dir eigentlich vorstellen, dass es mir manchmal richtig beschissen geht? Du meinst vielleicht, bei mir ist alles in Ordnung. Weil ich allen Grund hätte, zufrieden mit mir und der Welt zu sein. Ich habe einen Beruf, mein Hobby, ein paar Sozialkontakte. Und meine fast neunzigjährige Oma. Das genügt aber nicht.«
Nach einer ganzen Weile fuhr er fort. »Ich hätte auch gerne jemanden an meiner Seite, eine Partnerin. Wie jeder. Wie du auch deinen Paul. Meist denke ich darüber gar nicht nach, da ist es mir mehr oder weniger egal, aber manchmal ⦠Manchmal fehlt mir das schon sehr. Am schlimmsten ist es, wenn ich sehe, wie andere Männer ihre Frau umarmen und sie so nebenbei auf die Wange küssen. Als hätte es nichts zu bedeuten. Das macht mich jedes Mal ganz fertig. So eine Nähe, so eine verlässliche, routinierte, die fehlt mir. Und wie du weiÃt, nicht erst seit ein paar Wochen, sondern schon seit vielen Jahren.«
Man sah es ihm an, wie er mit jedem Wort seine eigenen Zweifel wegwischte, selbstbewusster wurde. Er schien sich nun wieder im Recht zu fühlen bei dem, was er getan hatte.
»Und da hast du allen Ernstes geglaubt, dass du das, was du suchst, ausgerechnet in Thailand findest?« Sie sah ihn mit groÃen Augen an. »Das muss dir doch von vornherein klar gewesen sein, Heinrich, dass das nur schiefgehen kann. Dass du dir da nur eine weitere Enttäuschung einhandelst. Wenn es wirklich so war, wie du sagst. Oder?«
Er antwortete nicht, aber sein Schweigen war beredt genug. Ohne Zweifel, Heinrich war tatsächlich nach Thailand geflogen, weil er meinte, dort eine Partnerin fürs Leben zu finden. Das passte zu ihm. Zu seiner Naivität, was solche Dinge anbelangte. Und noch mehr passte es zu seiner Faulheit. Stehen denn nicht alle bindungswilligen Singles vor dem Dilemma, unter Millionen anderen als das einzig liebens- und begehrenswerte Individuum wahrgenommen zu werden? Das erfordert doch eine intensive Selbstdarstellung, kontrolliertes Handeln, also Mühe, gar Arbeit. All das hatte Heinrich versucht zu umgehen, indem er sich auf den Weg nach Bangkok machte.
»Ich denke«, riss Heinrich sie aus ihren Gedanken, »derjenige, der mich hinter der Tür überfallen hat und der den Ulli erschossen hat, ist ein und dieselbe Person. Und es ist jemand, der ihn kannte. Wie wäre er sonst in die Wohnung gelangt? Was meinst du, Paula?«
»Ja, das glaube ich auch«, sagte sie. »Es ist jemand aus seinem Bekanntenkreis. Oder jemand aus der Verwandtschaft. Und beide Personengruppen, jeweils und zusammengenommen, sind relativ überschaubar. Jakobsohn hatte wenige Bekannte, noch weniger Freunde, und die Zahl seiner Verwandten lässt sich an einer Hand abzählen.«
»Habt ihr schon die Alibis genau überprüft? Das darfst du nicht vernachlässigen, Paula.«
Dieser gönnerhafte und auch leicht fordernde Satz ärgerte sie. Dennoch gab sie sich Mühe, neutral zu antworten. »Ja, damit sind wir fast durch. Und soll ich dir was sagen: Keiner hat ein richtiges Alibi. Sie sind alle noch im Rennen. Sein Freund Weberknecht, die Schwester samt Gatten, die Neffen, dieser Eigner und auch der Nachbar, dieser Lustig. Das bringt uns keinen Schritt voran.«
»Und habt ihr irgendeine Spur in puncto Motiv?«
»Ha«, lachte sie bitter auf, »ja, ein Motiv haben wir. Das klassische Eifersuchtsmotiv. Die Rivalität unter zwei balzenden Männern. Das wurde mir übrigens von deinem Kartelbruder Eigner auf dem Silbertablett serviert. Aber sonst, nein, kein Motiv. Vielleicht das Geld, das seine Schwester ihm noch schuldig war.«
»Was für Geld?«, fragte Heinrich erstaunt. »Ulrichs Schwester hat ihm das Erbe doch ausbezahlt. Die zwei sind finanziell gesehen quitt. Das weià ich
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